Aufgeblättert
Wohnraum für alle
Der Sammelband »Wohnraum für alle« vereint Debattenbeiträge zur Frage, wie eine soziale Wohnraumversorgung organisiert, d.h. wie Wohnraum effektiv der Verwertungslogik entzogen werden kann. Leitend ist die im ersten Teil vielfach belegte These, dass eine marktförmige Bereitstellung von Wohnraum durch privatwirtschaftliche Investor_innen strukturell soziale Verwerfungen produziert, die sich in teilweise rasanten Mietpreissteigerungen und Verdrängungsprozessen widerspiegeln. Die Teile zwei bis sechs beleuchten verschiedene regulative Eingriffe in die Wohnungspolitik, die die Wohnraumversorgungslage im unteren Segment verbessern helfen sollen: soziale Wohnraumförderung im internationalen Vergleich, städtebauliche bzw. mietrechtliche Regulierungen, soziale Bodennutzung, kooperative Baulandplanung etc. Es folgt die Suche nach alternativen Konzepten der Bereitstellung von Wohnraum bzw. der entsprechenden Eigentümerstruktur (Neue Wohnungsgemeinnützigkeit). Vorgestellt werden daraufhin bereits realisierte Modelle selbstverwalteten Wohnraums und gemeinschaftlichen Landbesitzes jenseits von Markt und Staat. Aus den unterschiedlichen Perspektiven ist ein Überblickswerk für die Beantwortung der Wohnungsfrage entstanden. Gestützt auf Beiträge von Autor_innen, die selbst in politische Auseinandersetzungen um Wohnungsfragen eingebunden sind, werden kenntnisreich Experimentierfelder einer nicht-warenförmigen Wohnungsversorgung diskutiert.
Conny Petzold
Barbara Schönig, Justin Kadi, Sebastian Schipper (Hg.): Wohnraum für alle?! Perspektiven auf Planung, Politik und Architektur. transcript Verlag, Bielefeld 2017. 358 Seiten, 29,99 EUR.
Eindämmung der AfD
Der Höhenflug der AfD war »ein aufhaltsamer Aufstieg«, so der treffende Titel von Gerd Wiegels lesenswertem Buch. Die kurze Erfolgsgeschichte der AfD analysiert Wiegel im Zusammenhang mit dem Aufstieg der »radikalen modernen Rechten« in Europa. Ausgehend von seinen gemeinsam mit Guido Speckmann formulierten fünf Mindestbedingungen für die Kennzeichnung einer Partei oder Bewegung als »faschistisch« (ak 622), kennzeichnet er die AfD als »reaktionäre, konservativ-bürgerliche Partei mit völkischen Elementen«. Das hat Auswirkungen auf die im letzten Kapitel vorgeschlagenen Gegenstrategien. Ausgrenzung allein, etwa durch die konkurrierenden Parlamentsfraktionen, werde die AfD nicht stoppen. Dass auch das »Fehlen einer überzeugenden und massenwirksamen radikalen Linken« ihren Aufstieg begünstigte, schreibt er schon in der Einleitung. Im Schlusskapitel plädiert er für eine inhaltliche Auseinandersetzung ohne Anbiederung. Fraglich scheint seine These, das »beste Mittel zur Eindämmung der AfD (sei) eine attraktivere linke Politik«. Dabei gesteht er ein, dass nur ein Teil ihrer Anhänger_innen von links beeinflussbar ist. Anregend sind seine Überlegungen zu einer »Klassenpolitik auf der Höhe der Zeit«. Skeptisch äußert Wiegel sich zu der Frage, »ob es einen positiv zu besetzenden Linkspopulismus« geben kann. Gleichzeitig kritisiert er zu Recht, dass die meisten deutschen Linken weder willens noch in der Lage sind, »über den eigenen Bezugsrahmen hinaus nach Verbündeten zu suchen«.
Jens Renner
Gerd Wiegel: Ein aufhaltsamer Aufstieg. Alternativen zu AfD & Co. PapyRossa Verlag, Köln 2017. 126 Seiten, 12,90 EUR.
NS-Verbrechen
Das Ausmaß vieler NS-Verbrechen, die in den von den Deutschen besetzten Teilen Europas verübt wurden, ist bis heute kaum bekannt. Dazu zählt der im Rahmen der Bekämpfung tatsächlicher oder vermeintlicher Partisan_innen ausgeübte Terror gegen die Bevölkerung. Der Sammelband »Repressalien und Terror« vereinigt Fälle dieser »Repressalienpolitik, die in einigen Ländern genozidale Formen annahmen«, und stellt ihre Kontexte und Folgen zur Diskussion. Anhand zahlreicher Beispiele zu Rechtsgrundlagen und Legitimationsstrategien, Fällen von »Vergeltungsaktionen«, Besatzungsverbrechen in der Endphase des Krieges sowie »Vergeltung« im Gebiet des Deutschen Reichs wird veranschaulicht, wie unterschiedlich NS-Herrschaft sich durch lokale Dynamiken ausprägte. Christel Trouvé widmet sich der familiären Weitergabe von Erinnerungen an die Razzia im französischen Murat; dazu hat sie Nachfahren der 119 von dort Deportierten interviewt. Zu wünschen wären Folgeprojekten stärkere Bezüge aufeinander für die hier fokussierte »transnational vergleichende Perspektive« sowie eine im Vorwort aufgegriffene gemeinsame Forcierung der Frage von Entschädigungen. Die deutlichen Unterschiede und Lücken der Vergegenwärtigung der behandelten Verbrechen werfen die Frage auf, welche Voraussetzungen es sind, durch die Oradour und Lidice zu ansatzweise bekannten Ortsnamen wurden, während vom ukrainischen Korjukivka kaum jemand in Deutschland je gehört hat.
Johannes Spohr
Oliver von Wrochem (Hg.): Repressalien und Terror. »Vergeltungsaktionen« im deutsch besetzten Europa 1939-1945. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2017. 271 Seiten, 24,90 EUR
Mehr Vielfalt!
Die Rubrik »Aufgeblättert« gibt es in ak seit mehr als 30 Jahren. Ende 2011, als die Zeitung ihr neues Gesicht bekam, wanderte sie auf die letzte Seite - die »zweite Titelseite«, wie Medienprofis gern behaupten. Nicht immer entspricht die Qualität der Kurzrezensionen der prominenten Platzierung. Auch die Auswahl der besprochenen Publikationen - meistens Bücher - ist oft etwas einseitig. Gut vertreten ist politische und historische Fachliteratur; vor allem Sammelbände und Biografien werden gern besprochen. Das soll auch so bleiben. Zusätzlich wünschen wir uns aber mehr Rezensionen von erzählender Literatur und Comics. Auch wenn eine differenzierte »Literaturkritik« auf so engem Raum nicht möglich ist, lässt sich über das Buch doch Aussagekräftiges zusammenfassen, auch Wertendes. Bevorzugt werden Produktionen linker Kleinverlage; »Gefälligkeitsrezensionen« und boshafte Verrisse sortieren wir aus, Besprechungen mehrere Jahre alter »Lieblingsbücher« ebenfalls: Die besprochenen Publikationen sollten möglichst im laufenden oder im vergangenen Jahr erschienen sein. Der Text der Rezension muss exakt 1.500 Zeichen umfassen (ohne Überschrift und Angaben zum Buch), längere Texte werden gnadenlos gekürzt. Texte von Frauen werden bevorzugt. Da wir oft ein Überangebot an Rezensionen bekommen, kann es mit der Veröffentlichung manchmal etwas länger dauern. Ein Honorar gibt es nicht, sondern nur ein Belegexemplar. Wir hoffen auf neue Rezensent_innen und mehr thematische Vielfalt. Schreibt mal wieder!
ak-Redaktion
Die Angaben zum Buch sehen so aus: Vorname Name der Autor_in/Herausgeber_in: Titel des Buches. Verlag, Ort Jahreszahl. xxxSeiten, xx EUR.