Titelseite ak
ak Newsletter
ak bei Diaspora *
ak bei facebookak bei Facebook
Twitter Logoak bei Twitter
Linksnet.de
Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 634 / 23.1.2018

Nola Darling

Sex mit dem dreiköpfigen Monster

Nola macht Kunst, Nola hat Sex, aber vor allem will Nola frei sein. »Nola Darling« (im Original »She's Gotta Have It«) erzählt von einer im gentrifizierten Brooklyn lebenden Schwarzen Künstlerin, die von ihren Partnern und ihrem sozialem Umfeld gerne als »Freak«bezeichnet wird. Freaky an ihr ist, dass sie drei Beziehungen zu drei Männern führt. Auch im Jahre 2017 scheint diese Geschichte noch erzählenswert, die zunächst das Klischee der sexuell befreiten Frau zu bedienen scheint, die asymmetrische Geschlechterverhältnisse überwunden hat - bis Nola nach dem Erleben eines sexuellen Angriffs anfängt, ihre eigene Rolle und das Verhalten ihrer Partner infrage zu stellen. Am Ende der ersten Episode läuft sie nachts nach Hause und wird von einem Mann bedrängt, dem sie gerade noch entkommt. Der Vorfall wird zum Schlüsselmoment für Nola, die daraufhin eine neue Sicht auf ihre Rolle als Frau in allen Lebensbereichen, auch in Bezug auf ihre Partner, entwickelt.

Kann sie autonom sein, ihre Sexualität ausleben, wenn ihre Partner sie entweder besitzen, beschützen oder konsumieren möchten? Kann individuelle sexuelle Befreiung in einer zutiefst sexistischen Gesellschaft stattfinden? Kann ihre Sexualität sogar die Antwort auf eine solche Gesellschaft sein? Karikativ werden die Besitzansprüche auf ihren Körper durch die männlichen Figuren - Männer in ihrem Bett, auf der Straße und selbst die Besucher ihrer Kunstausstellung - repräsentiert. Wie kann sie ein sexuell autonomes Subjekt sein, wenn ihre bewusst gesetzten Grenzen permanent überschritten werden? Es scheint, als würde Nola die negativen Eigenschaften ihrer Partner verdrängen, um mit ihnen zusammen sein zu können. In bell hooks Worten ist es nicht möglich »den sexuellen Machtkampf zwischen Männern und Frauen als Objekt aufzunehmen und zum Subjekt zu werden.« (1)

Nolas Handlung bewegt sich abwechselnd zwischen Resignation und Widerstand; durch ihre Erfahrung von Unterdrückung und Gewalt wird sie zum politisierten Subjekt. Als Reaktion auf den nächtlichen Angriff pflastert sie die Hauswände Brooklyns mit ihrem neuen Kunstprojekt zu, das sich explizit gegen sexuelle Belästigung im öffentlichen Raum richtet. Ihr Bewusstsein über die sexistischen Verhaltensweisen ihrer Partner hat auch zur Folge, dass sie sich eine Auszeit gönnt und sich von ihnen abgrenzt. Stattdessen nimmt sie die Beziehung zu einer anderen Schwarzen Frau auf.

So wird sie nicht zur entsexualisierten Figur, sondern scheint einen Weg zu finden, außerhalb von patriarchalen Konstellationen Lust zu erleben. Ihr neues Bewusstsein kulminiert in der letzten Episode an einem Thangsgiving-Abendessen, zu dem sie dann alle drei Männer einlädt. Die Szene strotzt vor alberner, konkurrierender Männlichkeit - ausgehend vom »dreiköpfigen Monster«, wie sie ein Porträt ihrer Partner liebevoll tauft - und wirkt doch kathartisch, als alle vier nach einem gemeinsamen Choreografie auf ihrem Bett einschlafen.

Eigenartigerweise kann die ganze Produktion als Projektion einer männlichen Fantasie auf einen weiblichen Körper gesehen werden. Man wird das Gefühl nicht los, dass Spike Lee mit Nola die in seinen Augen perfekte Frau inszeniert. Obwohl es scheint, als hätte sich Lee bei der neuen Umsetzung seines gleichnamigen Films von 1986 an feministischen Kritiken seiner Zeit abgearbeitet und Nola ein selbstermächtigendes Ende zugestanden. Im Gegensatz zum Film sieht man, dass Schwarze Frauen an dem Drehbuch für die Serie mitgeschrieben haben, die seit Dezember auf Netflix bingebar ist.

Bahar Sheikh

Anmerkung:

1) Übersetzung aus bell hooks: Whose Pussy is This? Reel to Real: Race, Class and Sex at the Movies. New York 1996.