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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 635 / 20.2.2018

Aufgeblättert

Antikommunismus

100 Jahre nach der Oktoberrevolution ist der Kommunismus ein alter Hut. Was also lässt sich noch über den Antikommunismus sagen? Auch in Zeiten schwacher linker Bewegungen hat dieser nicht an Aktualität eingebüßt, so die These des 13. Bandes der jour fixe initiative berlin. Basierend auf einer Veranstaltungsreihe im letzten Jahr beleuchten Enzo Traverso, Klaus Holz, Elfriede Müller und andere seine Genese, Merkmale und Ausdrucksformen. Der gegenwärtige Antikommunismus wird dabei mit Pierre Bourdieu als »symbolische Ordnung« begriffen, habe er doch eine Alltagsevidenz, die vor allem durch Latenz geprägt sei - und nicht mehr durch die Offenheit, die im Kalten Krieg vorherrschte. Dem Band liegt ein sehr weiter Kommunismusbegriff zugrunde, wenn etwa Michael Brie von Thomas Hobbes' »kommunistischen Bezugspunkten« im 16. und 17. Jahrhundert zur Charakterisierung des Liberalismus spricht, oder die Politik Syrizas gegenüber der Troika beschrieben wird. Entsprechend fänden die Gegenbewegungen ihren Ausdruck auch als Antikommunismen, wie es in der Einleitung heißt: Die Abwehr egalitärer, emanzipatorischer Bewegungen findet aus nationalistischer und (neo-)faschistischer, aus liberaler wie sozialdemokratischer Perspektive statt. Aber in Zeiten des Durchmarsches rechter Parteien und Bewegungen leistet das Buch einen Beitrag dazu, über das Verständnis ihrer Feinde die Hoffnung auf eine Gesellschaft der Freien und Gleichen aufrechtzuerhalten.

Sina Arnold

jour fixe initiative berlin (Hg.). Anti! Kommunismus. Struktur einer Ideologie. edition assemblage, Münster 2017. 136 Seiten, 12,80 EUR.

Digitalisierung

Digitale Revolution, Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz - kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über diese Themen berichtet und diskutiert wird. Dabei fällt allerdings Folgendes auf: Die Technik, die diesen Phänomenen zugrunde liegt, wird schlicht als gegeben hingenommen. Woraus sich die Schlussfolgerung ergibt, dass die Gesellschaft sich den neuen technischen Entwicklungen nur noch anzupassen habe. »Auf diese Weise wird Technik zur Ideologie, hinter der soziale und ökonomische Widersprüche verschwinden«, heißt es im Editorial des Schweizer Denknetz-Jahrbuchs »Technisierte Gesellschaft«. In knapp 20 Beiträgen leistet das Jahrbuch tatsächlich, was der Untertitel verspricht: »Bestandsaufnahme und kritische Analyse eines Hypes«. Philosophische Fragen wie die nach der Neutralität der Technik stehen neben konkreten Analysen zum Einsatz von Digitalisierung und Roboterisierung im Gesundheitsbereich oder zu den Auswirkungen auf die Sozialversicherungen. Ein Text beschäftigt sich mit Datenbrillen und Wearables im Rettungsdienst, ein anderer fragt nach dem Zusammenhang von Akkumulationskrisen, Maschinerie und Klassenzusammensetzung. Deutlich wird, dass sich viele Hoffnungen zerschlagen haben. Das Internet bringt per se keinen Demokratisierungsschub, die Digitalisierung schont keine Ressourcen. Emanzipation durch Technik? Das war einmal, die Technik selbst ist zum Problem geworden. Ein sehr lesenswertes Jahrbuch.

Guido Speckmann

Hans Baumann u.a. (Hg.): Technisierte Gesellschaft. Bestandsaufnahme und kritische Analyse eines Hypes. Denknetz Jahrbuch 2017. Edition 8 Verlag, Zürich 2017. 248 Seiten, 19,20 EUR.

Who Cares?

Im Mittelpunkt des Sammelbandes »Sorge-Arbeit. Auseinandersetzungen um Arbeit in sozialen Dienstleistungen« stehen Konflikte um soziale Dienstleistungen, die maßgeblich von Frauen geführt werden und bei denen neue Arbeitskampfstrategien entstehen. Zwei Aspekte machen das Buch besonders interessant. Zum einen die theoretische Durchdringung des Begriffs der Sorge-Arbeit. Stichworte wie die Ökonomisierung von Care-Arbeit oder die Krise der Reproduktion verweisen auf große gesellschaftliche Umbrüche, die keineswegs eindimensional zu erklären sind. Die Herausgeber_innen entfalten in ihrer Einleitung einen breiten theoretischen Zugang, der auch in zahlreichen Einzelbeiträgen aufgegriffen wird. Zum anderen zeichnet der Fokus auf die Akteure der Streikbewegungen im Sozial- und Erziehungsdienst 2015 den Sammelband aus - und damit sind nicht nur die Beschäftigten gemeint, sondern beispielsweise auch Assistenznehmer_innen in der Behindertenhilfe oder Eltern in Kitas. Einzig fehlt indes die historische Perspektive: Gerade im Bereich der Behindertenhilfe durch die Krüppelbewegung der 1970er Jahre und die Kinderladenbewegung im Anschluss an 1968 hat sich das Verhältnis von »Kunden« einer sozialen Dienstleistung und »Anbietern« radikal gewandelt. Hier wäre es interessant gewesen, deren Rolle angesichts der zunehmenden Organisierung und Streikbereitschaft von Belegschaften zu analysieren.

Gottfried Oy

Ingrid Artus, Peter Birke, Stefan Kerber-Clasen, Wolfgang Menz (Hg.): Sorge-Kämpfe. Auseinandersetzungen um Arbeit in sozialen Dienstleistungen. Hamburg, VSA-Verlag, Hamburg 2017. 333 Seiten, 26,80 EUR.

Commons

Erfrischend konkret widmet sich das Kollektiv von Autor_innen um den Verein Neustart Schweiz der Frage, wie denn ein Rahmen für eine weltweite Commons-Gesellschaft aussehen könnte. Ausgangspunkt der Überlegungen ist das Wohnen in Nachbarschaften mit ca. 500 Menschen. Dort kann die kollektive Verfügung über die Infrastrukturen des alltäglichen Lebens sichergestellt werden. Radikale Ressourceneinsparung der Haushalte wird so erst möglich und durch die gleichzeitige Steigerung der Lebensqualität der Bewohnenden auch erst erstrebenswert. Das Buch besticht durch ein ungewöhnlich weites Verständnis von Commons: Als notwendige materielle Fundierung der freien Assoziationen digitaler Commons propagieren die Autor_innen einerseits die Subsistenz durch kleinteilige solidarische Landwirtschaften, andererseits die als soziale Infrastruktur organisierten allgemeinen Dienstleistungen zur Daseinsvorsorge. Das Buch lädt dazu ein, das Recht auf Stadt größer zu denken, zu planen und umzusetzen: Die Nachbarschaften schließen sich verschachtelt zu immer größeren Einheiten zusammen, um die Versorgung mit komplexeren Dingen und Dienstleistungen organisieren zu können. Das macht die Nationalstaaten auf Dauer überflüssig und setzt ein Gemeinwesen an ihre Stelle, das funktional nach der Bedürfnisbefriedigung aller zusammengesetzt ist. Theorieverweise, viele Rechenbeispiele, Grafiken und übersichtliche Tabellen machen das Buch leicht verständlich.

Tim Schumacher

Verein Neustart Schweiz (Hg.): Nach Hause kommen. Nachbarschaften als Commons. Edition Volles Haus, Zürich 2016. 160 Seiten, 12,80 EUR.