Titelseite ak
ak Newsletter
ak bei Diaspora *
ak bei facebookak bei Facebook
Twitter Logoak bei Twitter
Linksnet.de
Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 635 / 20.2.2018

Durch die Nacht mit ...

Zecko - antifaschistisches Lifestyle Magazin

Ein dunkler, kalter Januarabend, dichter Nebel liegt über Kreuzbergs Straßen. Die wenigen Fußgänger kauern sich in ihre Mäntel, das Licht der Autoscheinwerfer formt große gelbe Kegel. Heute treffen wir ein Projekt der Berliner Antifaszene, um das sich Mythen ranken wie um den Yeti im Himalaya oder das Monster im Loch Ness. Wer sind die mysteriösen Anti-Nazi-Spezialist_innen, die mal als geheimnisvolle Strippenzieher, mal als dreiste Hochstapler beschrieben werden? Wer ist die Redaktion von Zecko - antifaschistisches Lifestyle Magazin?

Abspielen soll sich das Treffen in einer Kreuzberger Kneipe, deren Name geheim bleiben muss. Es gibt einige Regeln, damit die Begegnung zustande kommen kann: keine Fotos, keine Tonaufnahmen. Ankunft pünktlich 21 Uhr am Kottbusser Tor, dort auf einem sicheren Handy auf den Anruf warten. Am Telefon erfahren wir den Treffpunkt. Einzeln sollen wir die Bar betreten, mit Hundert Metern Abstand, um auszuschließen, dass uns jemand folgt. Es geht los.

Als wir die schwere Tür aufdrücken, schlägt uns Wärme und Rauch entgegen, Musik, Gelächter, es riecht nach Bier und Schärferem. Plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. »Du bist Jan Ole von ak?« »Ja, woher ...« Ich schlucke den Rest der Frage runter, will mich nicht schon zu Beginn zum Gespött machen.

Unser Gegenüber ist groß und jünger als erwartet. Modische Frisur, unauffällige, dunkle Kleidung. Am Tisch, zu dem er uns führt, sitzen ein Mann und eine Frau, er Mitte 40, sie vielleicht Ende 20. Er gilt als der George Clooney der Antifaszene, wie wir später erfahren. »Clooney« hat die Ruhe von jemandem, der viel erlebt hat. Seine Augen sind immer in Bewegung, knapp mustert er die Neuankömmlinge, scheint sie blitzschnell einzuschätzen. »Willst du dich nicht setzen?« Der spöttische Ton in der Stimme der Frau ist nicht zu überhören. Ich huste, murmele eine Entschuldigung. Jetzt erst fällt mir ihre erstaunliche Körperspannung auf, die sich von einem Moment auf den anderen in pure Energie verwandeln kann. Der herausfordernde Blick. Sie ist die Eskalationsbeauftragte im Zecko-Team. Der modische Junge das Hackergenie.

»Du fragst dich, was an den Gerüchten dran ist?« Clooney errät meine Gedanken, bevor ich sie ausspreche. Ist das die Erfahrung zahlloser Undercover-Ermittlungen in sächsischen Nazihochburgen? »Ich gehörte zu denen, die euch für einen Hoax gehalten haben«, gebe ich zu und zünde eine Zigarette an. Meine Gegenüber rauchen Selbstgedrehte; die Marke darf laut Absprache nicht verraten werden.

Die Bemerkung ignorierend fährt Clooney fort: »Wir operieren verdeckt, mit Hilfe eines riesigen Unterstützernetzwerks.« Medienberichte lassen in der Tat ein mittleres Imperium vermuten - die taz publizierte einst eine Grafik, die Zecko mit dem Antifa e.V. in Verbindung brachte, mit diversen finanzkräftigen Organisationen. Nicht nur wegen pünktlich bezahlter Demogelder und luxuriöser Nightliner, die Antifa-Members von Demo zu Demo fahren, fürchten Rechtsextreme in ganz Europa das Netzwerk.

Der Ruf des Zecko Magazins begründet sich einerseits durch die hohe Reichweite (die Printauflage soll bei knapp 50.000 liegen) und ansprechende Formate - süße Fotolovestories, üppige Bildstrecken, Antifa-Mode, die mehr zeigt als sie verdeckt -, andererseits durch unkonventionelle Aktionen, die immer wieder durchschlagende Erfolge bescheren. Unvergessen die Auflösung der zweiten Hogesa-Demo in Köln. Mitglieder des Zecko Netzwerks hatten sich unter die rechten Hools gemischt, warfen aus den ersten Reihen Flaschen und Böller, den Rest besorgte die Polizei. Oder die legendäre Nazis-outen-Nazis-Kampagne. Ein Zecko-Hit-Team hatte eine vermeintliche Anti-Antifa-Seite bei Facebook aufgesetzt, zügig die Followerzahlen erhöht und dann zum Teilen eines Fotos aufgerufen, das vermeintlich Antifa-Demonstrant_innen zeigte, inklusive Namen und Wohnadressen. Das Bild wurde dutzendfach geteilt - bis sich herausstellte, dass die Geouteten keine Antifas waren, sondern Mitglieder der rechtsextremen Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf.

Warum kommt ihnen nie jemand auf die Schliche? Wie finanzieren sie ihre aufwändigen Aktionen, den verschwenderischen Lebensstil? Der Großteil der Informationen, die wir an diesem Abend erhalten, sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Doch als das Treffen zu Ende geht, ist klar: Wir haben es mit einer Art Eliteeinheit der Antifabewegung zu tun. Und: Die Sache ist noch viel größer als angenommen. Die meisten Beobachter_innen sehen nicht einmal die Spitze des antifaschistischen Eisbergs.

»Zeit Abschied zu nehmen«, beschließt Clooney. Dabei gäbe es noch so viel zu fragen! Doch die Antifaprofis müssen weiter, eine nächtliche Recherche in Cottbus. »Der Nebel kommt euch sicher gelegen«, sage ich, als wir vor die Tür treten. »Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder.«

»Das glaube ich nicht«, entgegnet IT-Boy. »Dir ist was runtergefallen.«

Ich schaue auf den Boden, er muss sich getäuscht haben.

»Jedenfalls, viel Glück«, sage ich und drehe mich um.

Aber da ist niemand mehr.

Jan Ole Arps

Zecko

Süße Fotolovestories, üppige Bildstrecken, gewagte Modefotografien - Zecko ist ein anifaschistisches Hochglanzmagazin, das in einer Auflage von etwa 50.000 erscheint. Zecko hat zahlreiche Ableger: Für die Antifakids gibt es Zeckolino, für Geschichtsbewusste ZeckoHistory. Mehr: www.facebook.com/ZECKOMAG