Afrofuturistischer Gegenentwurf
Black History Der Film »Black Panther« liefert eine Alternative zu rassistischen Stereotypen von Schwarzer Minderwertigkeit
Von Philipp Dorestal
Zum ersten Mal in der Geschichte der US-Filmproduktionsfirma Marvel Studios ist der Hauptprotagonist und Namensgeber eines Films ein Schwarzer Superheld. Auch die übrigen Protagonist_innen von »Black Panther«, bei dem Ryan Coogler Regie führt, sind fast ausschließlich Schwarz. Der Filmtitel ruft Assoziationen mit der Black Panther Party of Self Defense (BPP) hervor. Doch dem Film zugrunde liegende gleichnamige Comic erschien kurz vor der Gründung der BPP im Oktober 1966. Auch wenn sich der Film nicht vordergründig an den militanten Black-Power-Organisationen orientiert, so hat er doch ein eminent empowerndes Element: Die Schwarze Superheldenfigur zeichnet einen starken Gegenentwurf zu rassistischen Stereotypen von Schwarzer Minderwertigkeit und Schwäche.
Zwar gibt es im Film weder Charaktere im klassischen Outfit der BPP mit schwarzer Lederjacke, schwarzem Barrett und Sonnenbrille noch Figuren aus anderen Schwarzen Widerstandsbewegungen. Doch die Filmemacher_innen kokettieren hintergründig immer wieder mit Schwarzer Ästhetik und Militanz. Schon das Filmplakat von »Black Panther« zeigt den Protagonisten Black Panther a.k.a. T'Challa im Korbstuhl und kann als eine Hommage an das ikonische Bild des Black Panther Gründers Huey P. Newton im Korbsessel mit Gewehr und Speer verstanden werden.
Auch auf wichtige Daten der afroamerikanischen Geschichte wird in Schlüsselszenen des Films angespielt. Eine Rückblende in die Jugend von T'Challa (Chadwick Boseman) springt ins Jahr 1992 - das Jahr, in dem der Afroamerikaner Rodney King in Los Angeles von vier Polizisten zusammengeschlagen wurde, was tagelange Ausschreitungen zur Folge hatte. Zudem dürfte es kein Zufall sein, dass die Anfangsszene des Films in Oakland, Kalifornien spielt, dem Gründungsort der BPP.
Der Erzählstrang von »Black Panther« beginnt im imaginären afrikanischen Staat Wakanda. Nach der Ermordung seines Vaters, König T'Chaka, wird Prinz T'Challa zum König gekrönt. Er erlangt durch den Genuss einer nur den Königen von Wakanda vorbehaltenen Pflanze übermenschliche physische Fähigkeiten und wird so zum Black Panther. T'Challa herrscht über Wakanda und versucht, Ulysses Klaue, den Mörder seines Vaters, zur Strecke zu bringen. Dazu muss er sich zunächst mit einem Herausforderer auf den Thron auseinandersetzen: mit Erik Killmonger (Michael B. Jordan), einem abgebrühten Profikiller. Überdies muss T'Challa eine antike Spitzhacke zurückholen, die aus dem nur in Wakanda zu findenden Stoff Vibranium hergestellt wurde. Aufgrund der überlegenen Technologie von Wakanda kann man aus Vibranium modernste Waffen herstellen, die Widersacher mühelos besiegen können. Wakanda liegt deshalb irgendwo auf dem afrikanischen Kontinent verborgen und wird von seinen Bewohner_innen absichtlich vor der restlichen Welt versteckt. Denn Wakandas hochmoderne Erfindungen könnten Begehrlichkeiten wecken.
Ein außergewöhnlicher Superheldenfilm
Was macht »Black Panther« zu einem außergewöhnlichen Superheldenfilm? Mit Wakanda wurde ein Reich ersonnen, das dem rassistischen Stereotyp vom unterentwickelten Kontinent Afrika etwas entgegensetzt. Wakanda ist das höchstentwickelte Land der Welt. Es hat unter anderem Luft- und Raumfahrzeuge sowie eine Magnetschwebebahn konstruiert, die dem weißen CIA-Agenten Everett K. Ross (Martin Freeman) ungläubiges Staunen entlocken. Wakanda ist vollkommen autark und wurde niemals kolonialisiert. Es steht somit für das, was auch in anderen Staaten Afrikas möglich gewesen wäre, hätte nicht der Kolonialismus so viel Zerstörung und Unterdrückung gebracht, deren Folgen bis heute fortwirken. Wakanda ist also ein Identifikationsort, wo Schwarzsein ausnahmslos positiv besetzt ist und empowernd wirkt.
Im Fokus des Films steht der Konflikt zwischen Black Panther und Erik Killmonger. Ersterer will sein Land weiter versteckt und sich aus den Konflikten der restlichen Welt heraushalten. Killmonger will die von weißen Machtstrukturen unterdrückten Schwarzen weltweit mit den wundersamen Vibraniumwaffen ausstatten, damit diese ihre Unterdrücker_innen bekämpfen und sich zu Herrschern der Welt aufschwingen können.
Das Thema Sklaverei und seine Folgen werden im Film immer wieder aufgegriffen: Als Killmonger in einem Museum besagte ursprünglich aus Wakanda stammende Spitzhacke entwenden will, sagt er zu einer weißen Kunstexpertin, ihre Vorfahren hätten das antike Werkzeug gestohlen. Eine Anspielung auf den transatlantischen Sklavenhandel, die Kolonialisierung und Plünderung von weiten Teilen Afrikas durch die Briten und andere Kolonialmächte.
SPOILER ALERT: Gegen Ende des Filmes weist der unterlegene und schwer verwundete Killmonger das Angebot von Black Panther zurück, ärztlich versorgt und so gerettet zu werden. Dies hätte für ihn bedeutet, fortan in Wakanda in Gefangenschaft leben zu müssen. So wie viele versklavte Afrikaner_innen, die sich während der Middle Passage - der gewaltsamen Entführung aus Afrika und der Überführung in die Amerikas - vom Schiff stürzten, entscheidet sich auch Killmonger für den Tod und gegen ein Leben in Gefangenschaft. SPOILER ENDE
»Black Panther« ist neben dem Verweis auf Schwarze Geschichte zudem in seiner Comicversion Afrofuturismus avant la lettre. Im Science-Fiction-Genre der 1960er Jahre waren Schwarze Charaktere marginalisiert. Nichelle Nichols, die Lieutenant Uhura in Raumschiff Enterprise spielte, ist eine große Ausnahme. Bezeichnend die Anekdote über Martin Luther King, der ein großer Fan der Serie war: Er überredete Nichols, die eigentlich nicht mehr bei Raumschiff Enterprise mitspielen wollte, weiterzumachen, da er die Symbolkraft einer schwarzen Figur für die Black Community innerhalb eines fast ausschließlich weißen Genres erkannt hatte. Als »Black Panther« 1966 erschien, war er der erste Schwarze afrikanische Superheld im US-Mainstream-Comic.
Für ein besseres Verständnis von »Black Panther« ist ein genauer Blick auf das Konzept des Afrofuturismus hilfreich. Der Begriff wird gewöhnlich Mark Derry zugeschrieben, der ihn zuerst 1992 verwendete. Bezeichnet wird damit eine Kombination aus Science Fiction und Afrozentrismus. Letzterer ist vor allem mit Namen wie Maulana Karenga und Molefi Kete Asante verbunden und entstand in den USA der 1960er Jahre im Zuge der Black-Power-Bewegung. Wissenschaftler_innen mit einem afrozentristischen Ansatz konzentrierten sich unter anderem auf die Erforschung früher afrikanischer Zivilisationen etwa in Ägypten oder Äthiopien. Während eine verbreitete Lesart ist, dass das antike Griechenland zentrale kulturelle Impulse für die gesamte Welt gesetzt hat, zeigen die Forscher_innen den Einfluss und die Errungenschaften antiker und mittelalterlicher Schwarzer Gesellschaften. Im afrozentristisch inspirierten Denken gibt es immer wieder Bezugnahmen auf afrikanische Zivilisationen, die von der Antike bis zur Neuzeit technisch und strukturell in höchstem Maße versiert waren. Sie strafen damit das rassistische Narrativ von Europa als Wiege der Zivilisation Lügen, dessen Kultur und Werte angeblich in der ganzen Welt verbreitet werden müssten, damit andere Länder auf sein Entwicklungsniveau kommen.
Viele starke Schwarze Frauen
Wie der Name andeutet, wagt Afrofuturismus darüber hinaus einen Ausblick in die Zukunft. Hier wird die Hochtechnologie von Schwarzen präsentiert. Hier entsteht ein utopischer Gegenentwurf, der die ideologische Rechtfertigung der vermeintlichen »Primitivität« des gesamten afrikanischen Kontinents als Grundlage für (Neo-)Kolonialismus aushebelt.
Bemerkenswert bei »Black Panther« ist auch der Style der Protagonist_innen. Die verantwortliche Schwarze Kostümdesignerin Ruth E. Carter, die Filme wie »Malcolm X«, »Selma« oder »Do the Right Thing« ausgestattet hat, verweist auf die Massai als Inspiration und Orientierung für ihr Design. Dies kombinierte sie mit einem futuristischen Style. Carter bemerkt treffend: »Es gab eine Zeit, als niemand sich auf Afrika beziehen wollte, seine Schönheit wurde nie so ausgedrückt, dass es zeitgemäß oder zukunftweisend aussah. Es war immer die Art, in der Militanz oder Protest ausgedrückt wurde. Ich habe den Eindruck, dass es jetzt eine Zelebrierung des Lebens und der Farben, der Kultur und der Kunst ist.«
Der Film vereint einen hochkarätigen Cast, von Forest Whitaker über Angela Basset bis hin zu Lupita Nyong'o. Obwohl die Hauptfigur männlich ist, werden vor allem viele starke Schwarze Frauen gezeichnet. Sie sind beispielsweise Kämpferinnen der Dora Milaje, einer ausschließlich aus Frauen bestehenden Eliteeinheit des Königs, die zu seinem persönlichen Schutz als Bodyguards abgestellt ist. Frauen sind damit nicht wie in vielen anderen Filmen des Genres nur schwache Nebenfiguren, die vom überstarken männlichen Superhelden gerettet werden müssen. Stattdessen knüpft ihre Darstellung an DCs »Wonder Woman« an und geht noch einen Schritt weiter: In »Black Panther« werden nun auch Schwarze Frauen positiv als kämpferisch, selbstbewusst, technisch versiert und stark dargestellt.
Der Film bietet zudem gut choreografierte Action, farbenfrohe Kostüme und beindruckende Landschaften - ein Genuss fürs Auge. Die im Netz bereits zu findenden Reaktionen - vor allem die des Schwarzen Kinopublikums - auf den Trailer zeigen, wie enthusiastisch dieser Schwarze Superheldenfilm aufgenommen wird. Zu Recht!
Philipp Dorestal ist Historiker und Autor von »Style Politics. Mode, Geschlecht und Schwarzsein in den USA, 1943-1975«.