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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 635 / 20.2.2018

Problembewusstsein Fehlanzeige

Deutschland Die Brandanschläge in Plauen fanden in rassistisch aufgeladener Stimmung statt

Von Claudia Krieg

»Sieg Heil« und »Lasst sie verbrennen!« skandieren Menschen auf der anderen Straßenseite, als am 29. Dezember 2017 das Haus in der Plauener Trockentalstraße, in dem 40 Menschen leben, brennt. Beim Feuer wird ein Kleinkind so schwer verletzt, dass es über Wochen im Krankenhaus bleiben muss und bleibende Schäden davon trägt. Es gibt weitere Verletzte. Dass keine Menschen sterben, ist dem Einsatz von Freiwilligen zu verdanken, die helfen, den Brand zu löschen und Menschen zu evakuieren. Ein zunächst als Brandstifter Verdächtigter wird wieder entlassen.

Ein Großteil der Bewohner_innen kommt in einem Haus in der unweit gelegenen Dürerstraße unter. Am Morgen des 5. Februar 2018 gibt es einen Brandanschlag auf dieses Haus. Zwei Menschen sterben. Weitere Personen werden verletzt, manche schwer. Drei Wochen vor dem zweiten Brand hatten Bewohner_innen des Hauses angegeben, drei Unbekannte bei einem versuchten Anschlag im Keller des Hauses überrascht zu haben. Die Polizei gibt an, bei ihren Ermittlungen keine Hinweise auf eine versuchte Brandstiftung gefunden zu haben. Fünf Tage nach dem Brand wird eine Person als Brandstifter verhaftet, die beim polizeilichen Verhör »zwischenmenschliche Streitigkeiten« als Grund dafür angegeben habe, das Feuer gelegt zu haben.

Starke Neonazistrukturen

In sozialen Netzwerken wird berichtet, es handele sich bei den zwei Häusern um Orte, in denen Roma-Familien, Punks und Asylbewerber_innen wohnen würden. Hier heißt es auch, die Polizei Sachsen sei nicht in der Lage, die Brandursachen sachgemäß zu untersuchen und einzustufen. Im Fall der zweiten Brandstiftung hätten Bewohner_innen die Polizei gerufen, die den Anruf als nicht glaubhaft befand und den Anlass nicht weiter verfolgte. Vor dem Hintergrund einer starken Neonazi-Szene in der Stadt sei es aber jederzeit sehr wahrscheinlich, dass konkrete Anschläge stattfinden. Täglich würden hier Migrant_innen angegriffen. »Wenn es zweimal in so kurzer Zeit an Orten brennt, wo Roma wohnen, macht uns das, sagen wir einmal, stutzig«, sagt Gjulner Sejdi vom Verein Roma Sumnal aus Leipzig. »Wir erwarten, dass die polizeilichen Ermittlungen mit aller Genauigkeit geführt werden.«

»Völlig unabhängig vom Tatmotiv der Brände ist die Stimmung in Plauen rassistisch aufgeladen«, beantwortet Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen die Frage nach der politischen Situation in Plauen. Die AfD erhielt bei der Bundestagswahl 2017 in Plauen einen Stimmenanteil von knapp 28 Prozent. Man lasse Nazis weitestgehend öffentlich gewähren. Im Ortsteil Haselbrunn, in dem die Neonazipartei Der Dritte Weg ihr Büro eröffnet habe, bestimmten sie im Grunde das Geschehen auf der Straße.

Das Vogtland ist seit Jahrzehnten eine wichtige Hochburg für die organisierte gewalttätige rechte Szene. Namen und Organisationen ändern sich, aber die Region hat eine durchgängig funktionierende Neonazistruktur. In den letzten beiden Jahren war es vor allem Der Dritte Weg, der hier seinen Schwerpunkt hinverlegt hat. Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung ist bei den Anhänger_innen der Partei durchaus legitim. Die Organisation macht keinen Hehl aus deutlichen Bezügen zum Nationalsozialismus, steht für einen aggressiven, militanten Rechtsextremismus - und soll unter anderem deshalb beispielsweise in Bayern demnächst verboten werden. Dass es damit in Sachsen wohl noch eine Weile dauern wird, berichtet auch der Sprecher des Aktionsbündnisses Vogtland gegen Rechts.

Das Plauener Viertel, in dem die Häuser der Trockental- und Dürerstraße stehen, wird in den lokalen Medien häufig diskriminierend und antiziganistisch als »Problem-Viertel« oder »Roma-Viertel« bezeichnet. Das Haus in der Trockentalstraße war vorwiegend von Roma bewohnt. Dieser Umstand ist auch darauf zurückzuführen, dass es einen Unternehmer gibt, der gezielt Roma aus der Slowakei anwirbt, um sie in Plauen geringfügig zu beschäftigen. Er vermietet Wohnungen an sie, solange sie bei ihm arbeiten. Die Wohnungen bezahlt das Jobcenter. Im Haus in der Dürerstraße wohnten Roma, nach dem ersten Brand auch mehrere Familien aus der Trockentalstraße und andere Menschen. Diejenigen, die beim Brand gestorben sind, werden in sozialen Medien als Punks bezeichnet.

Nach dem ersten Brand, der schon ein sehr großer Schock für die Betroffenen war, dringt die Polizei mit zum Teil vermummten Beamten in die Wohnungen von Betroffenen in der Dürerstraße ein, um eine Hausdurchsuchung wegen des Verdachts der Kindeswohlgefährdung durchzuführen. Wahrscheinlich kamen die Anzeigen dazu aus der Nachbarschaft. Die Beschuldigungen erwiesen sich als haltlos, aber eine offizielle Entschuldigung bei den Betroffenen gibt es nicht.

Ein Problembewusstsein für die Situation ist in der Stadtgesellschaft nicht spürbar. Auch die städtischen Reaktionen auf die Brände und die Opfer in Plauen spiegeln das wider. An den Häusern gibt es keine Blumen oder ähnliche Zeichen von Aufmerksamkeit oder Erinnerung. Die regionale Presse transportiert rassistische Stereotypen, indem sie weiter Vorurteile über Roma kolportiert. Offensichtlich gibt es in den Medien ein Problem damit, die Situation auf der Straße in Plauen - rassistische Äußerungen und Verweigerung von Hilfeleistung, wenn Menschenleben von Feuer bedroht sind - zu benennen. Auf der anderen Seite werden die freiwilligen Helfer_innen vom Brand in der Trockentalstraße gelobt. Der Plauener Oberbürgermeister Ralf Oberdörfer (FDP) zeigt sich vor Ort in der Dürerstraße betroffen davon, dass hier »Menschen nun schon zum zweiten Mal ihr Obdach verloren« hätten.

In die Verantwortung nehmen

Deutliche Worte findet Romano Sumnal zu den Brandanschlägen. In einem offenen Brief an die Stadt forderte der Verein bereits nach dem Anschlag in der Trockentalstraße und den menschenfeindlichen Bekundungen vor Ort, »sich gegen rechte Taten und Äußerungen zu stellen, die Ermittlungsarbeit mit allen Mitteln zu unterstützen und zu befördern, die Betroffenen zu schützen, zu versorgen und weiteren Anschlägen präventiv entgegenzuwirken.« Bürgermeister und Landrat seien verpflichtet, den Menschen aus dem Haus zu helfen, da der Großteil von ihnen nicht über die Mittel verfüge, die Schäden und Verluste des Brandes zu bewältigen. Sie seien in schlechten Wohnungen untergebracht, es fehle an Unterstützung und man sorge sich um die Sicherheit.

Das Problem, so der Verein, bestehe im Übrigen nicht erst seit dem 30. Dezember 2017. Der Verein kümmert sich von Leipzig aus mit um die von den Bränden und Schäden Betroffenen. »Es gibt glücklicherweise ein Netzwerk von Menschen und den Verein KARO aus Plauen oder den RAA aus Chemnitz, die sich sehr engagiert um die Menschen kümmern und mit dem Nötigsten helfen. Wir versuchen aktuell,vor allem die Familien zuunterstützen, die außerhalb von Plauen untergebracht wurden. Allen müssen dringend Wohnungen zur Verfügung gestellt werden. Wir haben einen Anwalt beauftragt.Manmussdarauf drängen, dassdie Stadt hier ihre Verantwortung übernimmt«, sagt Gujlner Sejdi.

Die Stadt- und Kreisverwaltung Plauen hatte über öffentliche Stellen Notunterkünfte für die Betroffenen zur Verfügung gestellt und gab an, sich mit Kleidung, Möbeln und Lebensmitteln an der Versorgung mit dem Nötigsten zu beteiligen. Es heißt, man bemühe sich, die Wohnsituation der Betroffenen in Plauen zu verbessern. Zu beobachten bleibt, dass sich Kreis und Stadt die Verantwortlichkeiten hin- und herschieben, anstatt die Verantwortung zu übernehmen und die Situation der Betroffenen zu klären. »Wir werden das sehr aufmerksam beobachten und weiter Druck auf die entsprechenden Stellen ausüben.« Auf der anderen Seite, so Sejdi, gehe es darum, den von den Anschlägen Geschädigten und Verletzten dabei zu helfen, Vertrauen zu entwickeln, um Hilfe zu bitten und sich über ihre Rechte zu informieren. »Dass wir auch Roma sind, hilft den Betroffenen.«

Im Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages wurde die Empfehlung an die Polizei ausgesprochen, bei Gewalt, deren Opfer einer Minderheit angehören, grundsätzlich eine mögliche rassistische Motivation für die Tat gründlich zu prüfen und diese auf keinen Fall auszuschließen, bis die Ermittlungen ein vollständiges Bild ergeben.

»Bundeskanzlerin Merkel sagte bei der Präsentation dieses Berichtes, dass alles in der Macht des Staates Stehende getan werden soll, um diese Empfehlungen ernst zu nehmen. Wir hoffen, dass die Polizei - auch in Plauen - diesen Bericht und die darin formulierten Empfehlungen sehr ernst nimmt. Ein rassistisches Motiv kann erst dann ausgeschlossen werden, wenn es eindeutig widerlegt worden ist. Von außen sieht es so aus, als wären die zuständigen Ermittlungsbehörden in Plauen sehr schnell in ihrem Urteil. Wir wünschen uns, dass ein rassistisches Motiv solange intensiv geprüft wird, bis es stichhaltig widerlegt und ausgeschlossen werden kann«, sagt Michael Nattke dazu.