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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 636 / 20.3.2018

Jane the Virgin. Just like a telenovela, right?

Eine junge Latina, Jane, wird bei einer gynäkologischen Routineuntersuchung versehentlich künstlich befruchtet - mit der (chemotherapiebedingt) letzten Spermaprobe eines reichen und sehr gutaussehenden Hotelerben. Die Ärztin, der dieser Fauxpas unterläuft, ist seine alkoholabhängige lesbische Schwester. Sie sollte eigentlich die Noch-Ehefrau des handsome Hoteliers inseminieren, die so heimlich die Ehe retten (und sich das Erbe sichern) wollte. Außerdem hat besagte Schwester eine Affäre mit ihrer Stiefmutter, die, wie sich später herausstellt, ein gefürchteter Player in der Hotelmafia ist. In dem Hotel arbeitet zufällig auch die nun von ihrem Chef schwangere Jane. Jane ist Jungfrau. Sie will sich nach dem Vorbild ihrer schwer katholischen abuela bis zur Ehe »aufheben«, um nicht wie ihre eigene Mutter zu enden, die Jane unehelich mit 16 bekommen hat. Janes bisher unbekannter Vater taucht zu allem Überfluss auch noch auf, und wie es das Schicksal so will, ist er der Star ebenjener mexikanischen Telenovela, die in dem Drei-Frauen-Haushalt jeden Abend leidenschaftlich geschaut wird.

Wer jetzt denkt, »was zur Hölle sollen die Spoiler, die Serie brauch ich mir nicht mehr ansehen!« - keine Sorge, all das passiert in der Pilotfolge von »Jane the Virgin«. Die mittlerweile vier Staffeln der Serie haben jeweils 22 (!) 45-minütige Folgen. Darin passiert ungefähr alles, was das Telenovelaherz begehrt: geheime Affären, böse Zwillinge, wiederauferstandene Tote, uneheliche Kinder, große Emotionen, gemeine Cliffhanger, ein allwissender (aber selbstreflexiver) Erzähler und vor allem: eine feministische Auseinandersetzung mit Fragen von Reproduktion, Liebe und Sexualität jenseits von Didaktik und Zeigefinger. Und man hofft, es möge nie enden.

JtV entwickelt scheinbar unendliche vorhersehbar unvorhersehbare Verstrickungen und Metaerzählungen rund um die Hauptfigur Jane und ihre sich erweiternde Familie. Die jeweiligen Plots werden im Laufe der Staffeln individuell weitererzählt und immer wieder zusammengeführt. Auch ästhetisch wird nicht mit Künstlichem gespart. Knallige Farben, eingeblendete Chats und absurde Effekte stehen der fröhlichen Konstruiertheit der Handlung in nichts nach.

Was man aushalten können muss, ist, dass sich in »Jane the Virgin« neben den großartigen Mütter-Töchter-Beziehungen alles um die großen romantischen Liebe dreht. Dabei ist die Serie aber nicht nur herzerwärmend ironisch, sie schafft es nebenbei auch, progressiv und politisch zu sein.

Auf Soaps, Rom-Coms, Schundromane und die beliebten Telenovelas wird gern verächtlich als »Hausfrauengenres« herabgeschaut. Dabei reiht sich »Jane the Virgin« in eine lange Tradition emanzipatorischer Telenovelas ein. Wie viele ihrer lateinamerikanischen Vorbilder, baut die Serie auf einer starken weiblichen Hauptfigur auf und hat wichtige sexualaufklärerische Momente. Ihren Ursprung haben Telenovelas übrigens in den Fabriken Kubas, wo Arbeiter_innen von lectores (Vorleser_innen) Fortsetzungsromane vorgelesen bekamen. Diese Tradition wurde in den 1930er Jahren als Hörspiele (Radionovelas) aufgenommen, bis in den 1950ern die Telenovelas entstanden.

»Jane the Virgin« basiert lose auf »Juana la virgen«, eine 2002 in Venezuela ausgestrahlte Telenovela, die ebenso die Geschichte einer irrtümlichen Insemination und »jungfräulichen« Schwangerschaft erzählt. Die 2014 auf The CW veröffentlichte und von Jennie Snyder Urman entwickelte US-Adaption spielt in Miami. Jane Gloriana Villanueva ist venezolanische Amerikanerin, ihre Großmutter ist in die USA eingewandert. Ihr Status als Immigrantin ohne Aufenthaltsgenehmigung ist in der Serie immer wieder Thema, auch werden ganz selbstverständlich weite Teile auf Spanisch gesprochen. Das ist für eine US-Produktion immer noch eine Seltenheit, genauso wie »Jane the Virgin« eine der wenigen Serien mit mehrheitlich lateinamerikanischstämmigen Schauspieler_innen ist. Und hab ich schon erwähnt, dass Hauptdarstellerin Gina Rodriguez teilweise auch Regie führt? Um die JtV-Erzählstimme zu zitieren: »Just like a telenovela, right?«

In »Jane the Virgin« wird das Format gleichermaßen satirisch behandelt und parodiert, wie auch ernst genommen und zelebriert. Diese Aneignung erlaubt eine Leichtigkeit und Zugänglichkeit im Umgang mit gesellschaftspolitischen Themen, von der »politische Filme« oft nur träumen können.

Kornelia Kugler ist Filmemacherin und guckt jede Woche mindestens drei Serien.