»Frauen haben viel zu verlieren«
International Die an.schläge-Redakteurinnen Brigitte Theißl und Lea Susemichel über Feminismus in Österreich
Interview: Hannah Schultes
Seit 1983 wird in Österreich unter einem recht militant klingenden Namen gegen den medialen Male- und Mainstream angeschrieben: Im feministischen Magazin an.schläge geht es um sozialen Protest, Körper, Sex und Selbstbestimmung genauso wie um Klimaschutz, Wirtschaftskrisen oder Popkultur. Doch mit der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung sind Kürzungen von Förderungsgeldern vorprogrammiert. ak sprach mit zwei Macherinnen der an.schläge über ihren Plan B und feministische Medienarbeit.
»Frauen gegen Hofer«, die »Omas gegen Rechts« und die Burschenschaft Hysteria - feministische Mobilisierungen und Aktionsformen scheinen im Widerstand gegen die rechts-autoritäre Wende in Österreich eine führende Rolle einzunehmen. Warum ist das so?
Brigitte Theißl: Das ist derzeit vielerorts zu beobachten: Führende Bewegungen gegen Rechts, gegen sexistische und rassistische Politiken sind feministische - ob in Polen, in den USA, in Argentinien oder Österreich. Rechte Politik, die zumeist mit einem Rückbau staatlicher Infrastruktur, mit Sozialabbau und der Einschränkung individueller Freiheiten einhergeht, trifft insbesondere Frauen: Sie sind es, die im Durchschnitt über weniger Ressourcen verfügen und daher von einem starken sozialen Netz profitieren. Sie haben viel zu verlieren.
Lea Susemichel: Die Rolle von Frauen im Widerstand wird historisch wie auch gegenwärtig generell unterschätzt. Dass die Women's Marches - auch die in diesem Jahr! - die größten Demonstrationen der US-Geschichte waren, findet kaum Erwähnung. Der Frauenstreik jetzt am Frauentag in Spanien, an dem knapp sechs Millionen Frauen beteiligt waren, und die großen feministischen Demos in der Türkei am 8. März kommen medial bestenfalls als Randthema vor. Dabei können gerade Frauenstreiks eine sehr wirksame Protestform sein, wenn man beispielsweise an den Generalstreik 1975 von Frauen in Island denkt. Fünf Jahre später wurde in Island die erste Staatspräsidentin der Welt gewählt, heute liegt das Land hinsichtlich Gleichberechtigung unangefochten auf Platz eins des Global Gender Gap Report. Auch großen Revolutionen wie der Französischen und der Russischen gingen Frauenaufstände voraus. Das wird historisch immer noch kaum gewürdigt.
Wie habt ihr die erste schwarz-blaue Regierung in Österreich erlebt?
B.T.: Als zur Jahrtausendwende die erste ÖVP-FPÖ-Koalition fixiert wurde, ging es auch für viele Frauenvereine ums Überleben. Unter dem ersten Frauenminister, Herbert Haupt von der FPÖ, bekamen die an.schläge bald keine Förderungen mehr vom Bund. Zusätzlich wurde ein Untersuchungsausschuss eingerichtet, auf dessen Liste standen vor allem linke, kritische Projekte und eben auch die an.schläge. Die absurden Anschuldigungen lauteten etwa: Nur Frauen in der Redaktion, verstößt das nicht gegen das Gleichbehandlungsgesetz? In den Vereinsstatuten steht, dass feministische und lesbische Utopien verfolgt werden - das klingt gefährlich.
Welche Folgen hat Schwarz-Blau derzeit für feministische Projekte?
B.T.: Auf Bundesebene lässt sich das noch nicht beurteilen. In Oberösterreich, wo ÖVP und FPÖ schon länger regieren, zeigt sich bereits, was rechtskonservative Frauenpolitik bedeutet: Den Vereinen Maiz, fiftitu% und Arge wurden mit einem Schlag sämtliche Förderungen gestrichen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass nur noch Organisationen gefördert werden, die für »alle Frauen« da sind. Maiz berät vor allem Migrantinnen und Sexarbeiterinnen, Arge Sie wohnungslose Frauen, fiftitu% berät und vernetzt Kulturschaffende. In Oberösterreich wurde daraufhin die Initiative frauenlandretten.at gegründet.
L.S.: Schwarz-Blau steht für eine Politik, die viele Menschen existenziell trifft, für eine menschenverachtende Migrationspolitik etwa oder massive Einschnitte im Sozialbereich. Sie verkaufen sich zwar gerne als Anwälte der kleinen Leute, aber de facto betreibt die FPÖ genau wie die ÖVP Sozialkürzungen und eine neoliberale Steuerpolitik. Rechtsextreme Politiker sind darüber hinaus aber auch für ihre Angriffe auf den sogenannten Gender-Wahnsinn berüchtigt. Dass sie nun an der Macht sind, wird sich natürlich auch bei den Förderungen niederschlagen.
Ihr erhaltet noch eine Förderung vom Frauenministerium. Wie seht ihr eure Finanzierung in Zukunft? Nehmen, was man kriegen kann, oder besser unabhängig bleiben?
B.T.: Wir bekommen aktuell auch Förderung von der Frauenabteilung der Stadt Wien. Förderungen sind sehr wichtig für unsere Arbeit, weil wir derzeit ohne diese nicht überleben könnten. Wir haben vor kurzem eine Crowdfundingkampagne gestartet, um auch nach einem Wegfall der Bundesförderung weiter erscheinen zu können. Dazu brauchen wir 666 neue Abos.
L.S.: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Medienvielfalt ein hohes öffentliches Gut ist und es eine regierungsunabhängige Presseförderung für kritische Medienarbeit geben müsste. In Österreich gibt es ein Monopol der oft sehr FPÖ-freundlichen Boulevardmedien, die massiv öffentlich subventioniert werden. Derzeit wird sogar noch ein Ausbau dieser Medienförderung für die auflagenstarken Gratisblätter diskutiert. Aber natürlich wären wir über eine konkrete Unabhängigkeit von dieser Bundesregierung grundsätzlich sehr dankbar! Dafür brauchen wir eben mehr Abonnenten!
Welche feministischen Mobilisierungen sind in nächster Zeit in Österreich zu erwarten?
B.T.: In Österreich wird aktuell ein Frauenvolksbegehren vorbereitet, das regen Zulauf verzeichnet. Das erste wurde 1997 durchgeführt. Das Frauenvolksbegehren 2.0 mobilisiert derzeit Aktivistinnen aus ganz unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen - daraus könnte auch hierzulande eine neue, starke feministische Bewegung entstehen.
L.S.: Das ist unsere Aufgabe als feministische Medien: Diese neuen globalen Frauenbewegungen sichtbar zu machen und zu stärken. Denn die Entschlossenheit und der Kampfgeist unglaublich vieler Frauen sind größer denn je. Das müssen wir unbedingt nutzen.
www.anschlaege.eu