Pack schlägt sich
Rechte Das bildungsbürgerliche Publikum von rechten Printmedien wie Cato und Junge Freiheit kommt zurzeit voll auf seine Kosten
Von Volkmar Wölk
Man kann Uwe Tellkamp sicherlich vieles berechtigt nachsagen, allerdings nicht, dass es sich bei ihm um einen Vertreter der literarischen Moderne handele. Der Stil dieses Romanciers bleibt, seinem Lesepublikum angemessen, konventionell: Der Bildungsbürger schreibt für Bildungsbürger. Sein Name prangt auf der Liste der veröffentlichten Unterzeichnenden der »Erklärung 2018« an zweiter Stelle. (1) Nimmt man diese Liste ernst, dann wimmelt es in der Rechten nur so von Bildungsbürger_innen. Kaum jemand, der oder die nicht ein Diplom, einen Doktortitel oder gar den Professor vor dem Namen führt. Aber lesen diese rechten Bildungsbürger_innen auch? Lesen Rechte überhaupt? Und wenn ja, was lesen sie?
Vor allem lesen sie die rechten Blogs, jene »Alternativmedien«, die Vera Lengsfeld seit diesem Frühjahr zu einem Netzwerk vereinen will. (2) Glaubt man ihren Angaben, dann kommen diese Blogs inzwischen auf über 1,35 Millionen Lesende täglich. Vertreter der wichtigsten unter ihnen, wie PI News, Epoch Times, Info Direkt, Jouwatch, daneben einige regionale Publikationen wie die Sachsen-Depesche, versammelten sich am 20. Februar 2018 in Berlin im früheren Ministerium für Staatssicherheit, um ihr künftiges gemeinsames Agieren zu koordinieren, in Vera Lengsfelds Worten: »die Tafelrunde des medialen Widerstands - ein Gipfeltreffen von über 20 der wichtigsten unabhängigen Medien der Vernunft«. Politisch decken diese Blogs ein Spektrum ab, das die Unterzeichnendenliste der »Erklärung 2018« widerspiegelt: vom nationalliberalen Flügel der FDP über die sich als konservativ deklarierenden Kreise der CDU/CSU (»WerteUnion«) bis hin zur AfD und den Mitmarschierenden bei rassistischen Märschen.
Diese nehmen - wenn sie denn doch einmal zu Gedrucktem greifen - natürlich jene Periodika in die Hand, die nicht im Verdacht stehen, Teil von »Lügenpresse« und »Systemmedien«, das heißt, der etablierten Print- sowie der öffentlich-rechtlichen Medien zu sein. Welche das sind, dafür liefert wierum die Liste der Erstunterzeichnenden der »Erklärung 2018«, die inzwischen von 34 auf 31 Namen geschrumpft ist, erste Indizien. Mit Dieter Stein ist der Chefredakteur der Wochenzeitung Junge Freiheit vertreten, mit Karlheinz Weißmann und Andreas Lombard tauchen die beiden wesentlichen Personen der neuen Zweimonatszeitschrift Cato auf. Der Literaturwissenschaftler Till Kinzel schrieb für die Sezession des Instituts für Staatspolitik sowie für die turbokapitalistisch-antietatistische Monatszeitschrift eigentümlich frei. Mit dem früheren Mitglied der Subversiven Aktion Frank Böckelmann ist auch ein Alt-68er vertreten, dessen Zeitschrift Tumult heute regelmäßig erscheint, dafür allerdings jeglicher linken Theoriebildung entsagt hat und als intellektueller Stichwortgeber für das besagte Spektrum dienen möchte.
Publizistischer Druck von rechts
Trotz der Krise der Printmedien und trotz der Konkurrenz der Blogs ist das Spektrum der Zeitungen und Zeitschriften des Lagers, das sich am liebsten »konservativ« und »national« beschreibt, größer geworden. Blätter wie die Junge Freiheit (JF) können regelmäßig Auflagensteigerungen vermelden. Diese Zeitung, die seit 1994 wöchentlich erscheint, weist bei allen Schwenks in der Blattlinie eine Konstante auf, die an der Person des Gründers und Chefredakteurs Dieter Stein festgemacht werden kann.
Stein ist Alter Herr der Deutschen Hochschulgilde, einer bündischen Korporation, zu deren Charakteristika es traditionell gehört, an einer Rechtsverschiebung des politischen Koordinatensystems auf zwei Ebenen gleichzeitig zu arbeiten. Das politische Ziel Dieter Steins und seines Umfeld war stets die Schaffung eines gesamtgesellschaftlichen Rechtstrends. Dabei wirkt ein Teil der Mitglieder in der jeweils stärksten etablierten, auch parlamentarisch verankerten Partei der Rechten und versucht von innen, sie weiter nach rechts zu drängen. Gleichzeitig soll durch andere Mitglieder Druck aufgebaut werden, die in einer noch weiter rechts stehenden, möglichst aufstrebenden Formation - parlamentarisch oder außerparlamentarisch - aktiv sind. Und letztlich gibt es jene, die beiden Bestrebungen publizistisch Schützenhilfe leisten. Wesentliches Zielobjekt waren immer die Unionsparteien, protegiert wurden daneben nacheinander die unterschiedlichsten parteipolitischen Projekte wie Republikaner, Bund Freier Bürger, Schill-Partei oder aktuell die AfD. Bei dieser allerdings wird immer wieder die Sorge zum Ausdruck gebracht, sie könne sich so stark radikalisieren, dass sich jegliche Bündnishoffnungen mit der Union zerschlagen. Folglich stand die Junge Freiheit, stets offen mit der AfD sympathisierend, zunächst auf der Seite von Bernd Lucke, dann auf der von Frauke Petry und nunmehr auf der von Alice Weidel.
Die Lesenden der JF erwarten von ihrem Blatt entsprechend die Unterstützung von Unternehmungen, die Druck von rechts auf die Regierung ausüben wollen. Wenn der Ökonom Max Otte, der in der CDU Beitrag zahlt und die AfD nach Kräften unterstützt, zu einem »Neuen Hambacher Fest« lädt, dann sieht es die JF demnach als ihre Aufgabe, dieses Event entsprechend zu bejubeln: »Fast 200 Jahre später, am 5. Mai 2018, weht wieder ein bürgerlich-revolutionärer Geist durch die idyllischen Weinberge rund um Neustadt und den mittlerweile eingemeindeten Ortsteil Hambach. Wieder treffen sich deutsche Patrioten um 8 Uhr in der Früh zum Fußmarsch Richtung Hambacher Schloß. Und wieder kämpfen die Initiatoren der Veranstaltung gegen Repressalien durch einen großen Teil der Herrschenden.« Im Mittelpunkt, so Initiator Otte laut der JF zu den rund 1.000 Teilnehmenden, stehe »der Gedanke der Wiedergeburt des Vaterlandes«. Grundvoraussetzung dafür, schreibt die JF weiter, sei die Umsetzung ihres strategischen Ansatzes: die Schaffung eines günstigen Umfelds für die Bildung einer rechten Koalitionsregierung.
Die JF arbeitet an diesem Ziel über die entsprechende Einordnung der Tagespolitik. Nach dem Streit zwischen Dieter Stein und Götz Kubitschek kam ihr mit dessen Sezession allerdings das bisherige Organ zur Vermittlung von Grundlagentexten abhanden. Wahrscheinlich soll die Neugründung Cato Abhilfe schaffen, ein zweimonatliches Blatt mit rund 100 Seiten Umfang im Stil einer »Gartenlaube« für das heutige Bildungs(spieß-)bürgertum, dem der frühere Geheimdienstler beim Bundesamt für Verfassungssschutz, Armin Pfahl-Traughber. vor allem eines attestiert: Langeweile. Die aktuelle Ausgabe (April/Mai 2018) hat natürlich die 68er-Revolte als Schwerpunkt. Der Althistoriker David Engels bescheinigt darin den damaligen Akteuren, sie hätten »gegen die abendländische Zivilisation« gekämpft. Das alte rechte Schlagwort vom »Kulturbolschewismus« schwingt durchgängig als Unterton in seinem Beitrag mit. In einem Porträt des früheren SDS-Mitglieds Gerd Koenen hebt Karlheinz Weissmann dessen heutige Sicht hervor, es habe sich bei dessen ehemaligen Freunden um eine Art »Weltuntergangssekte« gehandelt. Renegaten sind beliebt, zumindest als Kronzeugen für die eigene Meinung. Der Schwerpunkt in seiner Gesamtheit steht unter dem Motto »Abschied von unserer Identität«, denn der habe mit dem »Kulturbruch 68« (Weissmann) begonnen.
Ihr Erfolg gibt Blättern wie der Jungen Freiheit, Cato, Sezession oder Tumult recht. Sie nutzen die Waffe der Kritik. An das historische Vorbild von konservativ-revolutionären Zeitschriften wie Die Tat reichen sie allerdings nicht annähernd heran. Ihr Grundproblem ist jedoch extern angesiedelt: Lässt der Erfolg der AfD nach und zeigt die soziale Bewegung von rechts Erschöpfungserscheinungen, dann ist der Kern ihrer Strategie (siehe oben) weitestgehend hinfällig.
Volkmar Wölk ist Mitarbeiter der Zeitschrift Der Rechte Rand.
Anmerkung:
1) Vera Lengsfeld, bekannt geworden als DDR-Bürgerrechtlerin, initiierte die sogenannte Erklärung 2018 im März dieses Jahres. Diese spricht von einer »illegalen Masseneinwanderung« nach Deutschland.