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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 640 / 21.8.2018

Organisierte Kriminalität

Lagersystem Warum die Security-Gewalt in bayerischen Abschiebelagern weitergeht

Von Aino Korvensyrjä

In bayerischen Transitlagern, die vor kurzem in »Ankerzentren« umbenannt wurden, scheinen sich gewalttätige Angriffe auf Geflüchtete zu häufen. In ak 637 wurde über die zahlreichen Angriffe seitens des Securitydienstes auf Schwarze Asylsuchende in der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO) Bamberg berichtet, die im Sommer und Herbst 2017 stattfanden. Bis heute hat das AEO-Management keine öffentliche Stellungnahme zu diesem Thema abgegeben. Warum kann in einer staatlichen Einrichtung systematische Gewalt gegen angeblich in dieser zu schützende Menschen folgenlos bleiben?

Als ich 2017 und 2018 in süddeutschen Abschiebelagern recherchierte und dafür mit zahlreichen Asylsuchenden sprach, wurde ich vielfach auf die Zusammenarbeit zwischen privaten Sicherheitskräften, Behörden im Lager, Polizei und Strafverfolgungsbehörden hingewiesen. In den vielen organisierten und spontanen Protestaktionen von Geflüchteten in Bayern waren Gewalt und Machtmissbrauch durch die Sicherheitskräfte ein zentraler Auslöser und Gegenstand des Protestes. Dieses Problem war insbesondere in der Aufnahmeeinrichtung Oberfranken virulent, wo die Gewalt der Sicherheitskräfte seit Sommer 2017 vor allem westafrikanische Asylsuchende traf. (ak 637) Die AEO ist eine integrierte Aufnahme- und Abschiebeeinrichtung mit einer Gesamtkapazität von 3.400 Personen in einer ehemaligen US-Kaserne in Bamberg. Alle relevanten Behörden sind im Lager vor Ort: die Ausländerbehörde, die Flüchtlingsverwaltung (BAMF), das Sozialamt und das Verwaltungsgericht.

Die AEO Bamberg war mit Ingolstadt/Manching das erste bayerische Abschiebelager, das 2015 eingerichtet wurde, um Asylbewerber_innen »ohne Bleibeperspektive« möglichst effektiv durch Isolation und Entrechtung zur Ausreise zu drängen. Später wurden sie ebenso wie die Lager in Deggendorf und Regensburg Transitzentren genannt. Seit August 2018 heißen sie und die Lager in Donauwörth, Schweinfurt und Zirndorf »Ankerzentren« - ein Modell, das im Koalitionsvertrag Anfang 2018 vereinbart wurde.

Viele Geflüchtete legen keine Rechtsmittel ein

In ak 637 wurden die Erfahrungen der Bewohner Aarona K. und Ndiame D. mit der Security-Gewalt berichtet. Der senegalesische Asylsuchende K. hatte einen Strafbefehl über 120 Tagessätze, die 1.200 Euro entsprechen, erhalten. Vorgeworfen wurde ihm ein Angriff auf Sicherheitskräfte in der AEO-Kantine Anfang September 2017. In Wirklichkeit hatte Aarona K. versucht, Modou G., einem anderen Asylbewerber zu helfen, der in der Mittagspause von den Wachen schwer misshandelt worden war. Nach einem Pfeffersprayeinsatz gegen ihn wurde K. gefesselt, in ein Hinterzimmer geschleppt, misshandelt und später zur Polizeiwache gebracht.

Der Prozess gegen Aarona K. und Ndiame D. ist mittlerweile vorläufig eingestellt worden: D. wurde schon im April 2018 nach Italien abgeschoben. Auch Aarona K. hat vor kurzem aufgegeben und ist nach fast zwei Jahren in Bamberg aus Deutschland ausgereist. Dass es überhaupt zu einem Prozess kam, ist bereits bemerkenswert. Niemand hatte K. oder D., der ebenfalls einen Strafbefehl mit 120 Tagessätzen erhalten hatte, ihre Rechte erklärt. Außerdem verstanden sie kaum Englisch oder Französisch - dies waren aber die Sprachen, in denen sie von den Behörden angesprochen wurden. Empört hatte Aarona K. es dennoch geschafft, die notwendige Erklärung über die Sozialarbeiter_innen der AEO innerhalb der zweiwöchigen Frist einzureichen. Den Rat der Sozialarbeiter_innen ignorierten sie damit. Diese raten AEO-Bewohner_innen, die von ungerechtfertigten Strafbefehlen betroffen sind, meist davon ab, Einspruch einzulegen - wenn sie die Asylsuchenden überhaupt auf diese Möglichkeit aufmerksam machen.

Diese Geschichte ist kein Einzelfall, wie ich bei Gesprächen mit den Bewohner_innen der AEO Bamberg über mehrere Monate hinweg feststellte. Während wir eine öffentliche Kampagne zur Unterstützung des Gerichtsverfahrens von K. und D. organisierten, erfuhren wir, dass es ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere der Security-Zeugen gab, die K. und D. belasteten. Ehemalige AEO-Sicherheitsmitarbeiter bestätigten Aarona K.s Verteidiger Benjamin Düsberg und mir, dass in der AEO im Spätsommer und Herbst 2017 mehrmals pro Woche, teilweise täglich, Aggressionen und Übergriffe durch die Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts stattfanden. Viele Geflüchtete hatten sich bereits im Sommer 2017 bei der AEO-Leitung beschwert. Da sich an der Lage nichts änderte, protestierten am 17. Januar 2018 um die 200 Bewohner_innen in Bamberg gegen die Lebensbedingungen in der AEO: gegen die Gewalt, die ständige Angst vor Abschiebung, die Verweigerung des Zugangs zu Arbeit, Studium, Schule, Taschengeld, Rechtsberatung und normaler Gesundheitsversorgung.

Flucht aus dem Lager

Neben Aarona K. und Ndiame D. fand ich im Rahmen meiner Recherchen schnell mehr als zehn Personen, hauptsächlich Senegalesen und andere westafrikanische Männer, die von den Bamberger Wachen körperlich angegriffen worden waren, einige von ihnen mehrmals. Zwei davon waren Oumar B. und Sidi F.. Die Gewalt gegen B. und F. war Teil einer Reihe von schweren Angriffen auf Bewohner_innen, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen Ende September 2017 stattfanden. Die Angriffe fielen mit verstärkten Taschenkontrollen am AEO-Eingang zusammen, wo die Sicherheitskräfte oft eine Ganzkörperdurchsuchung der Anwohner_innen durchführten. Der Senegalese Oumar B. lehnte diese ab, da nur die Polizei das Recht habe, diese auszuführen, und lediglich seine Tasche von den Wachen kontrolliert werden dürften. Das reichte aus, um B. in dem geschlossenen Container am AEO-Eingang schwer zu verprügeln. Die Polizei traf ihn schwer verletzt und mit einigen ausgeschlagenen Schneidezähnen an. Er wurde verhaftet, da die Wachen behauptet hatten, er sei aggressiv gewesen, den Mund habe er sich am Containerfenster angeschlagen. Am selben Tag floh Oumar B. nach Holland.

Am gleichen Abend wurden die senegalesischen Asylbewerber Sidi F. und Malick C. in der AEO-Kantine angegriffen. Sie traten kurz vor Schließung ein, C. wollte sein Abendessen, zwei Stück Brot, in sein Zimmer bringen. Ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes näherte sich ihm, um diese unerlaubte Aktion zu stoppen. Obwohl Malick C. sich ruhig verhielt, bekam er bald Pfefferspray in die Augen. Sidi F. versuchte seinem zeitweise erblindeten Freund zu helfen, der auf dem Boden nach Wasser schrie, wurde aber selbst angegriffen und zu Boden gebracht. Bald war eine Gruppe von Securitys auf den beiden, schlagend und tretend, als weitere Mitarbeiter am Tatort eintrafen, um sich der Schlägerei anzuschließen oder den Einsatz »abzusichern« - eine häufige Aufgabe im Dienst. Später kam die Polizei hinzu, Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes gaben ihre Version der Ereignisse ab, und die beiden »aggressiven« Asylsuchenden wurden verhaftet. Als F. am nächsten Tag entlassen wurde, konnte er noch nicht wieder laufen. Einige Wochen später flohen auch Sidi F. und Malick C. aus Bamberg.

Das »Sonderteam«: Verhalten wie im Kriegsgebiet

Für diese Angriffe war ebenso wie für den Angriff auf Aarona K. und Modou G. ein sogenanntes Sonderteam verantwortlich, das sich im Sommer 2017 innerhalb des privaten Sicherheitsdienstes Fair Guards und deren Subunternehmen gebildet hatte. Ehemalige AEO-Securitys äußerten mir gegenüber, es sei offiziell darum gegangen, Konfliktsituationen zu beruhigen, in der Praxis habe das Sonderteam aber solche Situationen provoziert und gezielt eskaliert. Ein neuer Einsatzleiter rekrutierte im Frühsommer 2017 junge, aktionshungrige Mitarbeiter für das Team. In separaten Räumen der AEO trainierten die Mitglieder Nahkampftechniken, um sie dann in der Praxis gegen »schwierige« Asylsuchende einzusetzen. Der neue Einsatzleiter bezeichnete die AEO-Bewohner_innen als Schwerkriminelle, die aus ihren Ländern geflohen wären und harte Maßnahmen erforderten.

Der Leiter des Sonderteams war an den Angriffen auf Oumar B. sowie auf Sidi F. und seinen Freund beteiligt. Ehemaligen Kollegen zufolge prahlte er mit seinen Erfahrungen im Dienste der französischen Fremdenlegion und internationaler Sicherheitsfirmen in Afrika und im Nahen Osten. Ein ehemaliger Kollege beschrieb sein Verhalten als für ein Kriegsgebiet geeignet.

Innerhalb des Sonderteams nannte man afrikanische Asylsuchende »Neger«, »Hurensöhne«, »Bananenfresser« oder »Affen«, während arabische Asylsuchende als »Teppichflieger« bezeichnet wurden. Rassistische Schikanen musste auch Mariama N., eine in Bamberg lebende senegalesische Asylsuchende, im letzten Jahr erleben. Grundlos wurde ihr der Eintritt in die Kantine der AEO verweigert, sie wurde zu Boden gedrückt. »Was machst du in meinem Land? Du, schau mich an, was machst du in meinem Land?« fragte der Leiter des Sonderteams sie mehrfach, während er ihr gleichzeitig den Arm verdrehte. Kurz darauf kam die Polizei, legte Mariama N. in Handschellen und nahm sie mit.

Ein großer Teil der Tätigkeit der Mitarbeiter des Sicherheitsdienst könnte als interne Polizeiarbeit bezeichnet werden. So beschwerten sich die AEO-Bewohner_innen bereits im Sommer 2017 über anlasslose Zimmerkontrollen zu jeder Zeit, einschließlich der Durchsuchung der persönlichen Gegenstände, und manchmal auch körperliche Angriffe auf die Bewohner_innen. Der Sicherheitsdienst kommt in der AEO zum Einsatz, um die Ordnung aufrechtzuerhalten und Zwangsmaßnahmen der Verwaltung durchzusetzen: In der Kantine achten sie darauf, dass die Menschen massenhaft und problemlos mit schlechten Lebensmitteln versorgt werden, in der Ausländerbehörde darauf, dass die Bewohner_innen zur »freiwilligen Rückkehr« gedrängt werden; am AEO-Eingang kontrollieren Wachen die Ausweise der Bewohner_innen, oft auch die Taschen; im Sozialamt helfen sie dabei, Bewohner_innen zu beruhigen, die gegen die Kürzung ihres Taschengeldes protestieren. Es wundert nicht, dass Mariama N. zufolge ein Security ihr gegenüber behauptete, er habe ein staatliches Mandat, ausreisepflichtige AEO-Bewohner_innen anzugreifen. Die Security-Angestellten besitzen die Definitionsmacht darüber, was ein Problem oder einen Ordnungsbruch darstellt, sowie einen erheblichen Ermessensspielraum, um willkürliche Macht und Kontrolle auszuüben.

Die systematische Schikane und Aggression vor allem gegen Schwarze und insbesondere westafrikanische Asylsuchende wurde im Herbst 2017 immer offener und enthemmter. Die Ereignisse Ende September weckten schließlich das Interesse der Polizei, nachdem einige Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes sie etwa einen Monat später dort gemeldet hatten. Anfang Oktober hatte die Sicherheitsfirma nicht auf ihre Beschwerden reagiert. Ende Oktober wurde ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung gegen mehrere Securitys, darunter der Leiter des Sonderteams, eingeleitet. Am 26. Oktober fand eine Razzia im AEO-Wachbüro statt. Die Firma Fair Guards reagierte, indem sie einigen Mitarbeitern des Subunternehmens Frankonia den Zutritt zur AEO untersagte, ihnen die Weitergabe von Informationen vorwarf und später den Vertrag mit Frankonia zu Anfang 2018 kündigte.

Selbstabschiebung als staatliches Ziel

Seit der Leiter des gewaltbereiten »Sonderteams« vom Dienst suspendiert wurde, ist die Gewalt etwas zurückgegangen, besteht aber weiter fort. Unter anderem gab es in der zweiten Woche im Mai dieses Jahres drei Vorfälle, bei denen vier westafrikanische Bewohner in einer Weise angegriffen wurden, die an das Vorgehen des Sonderteams erinnert.

Auch mit der Firma Fair Guards arbeitet die Einrichtung weiter zusammen. Ehemalige Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes, die ihren Job verloren haben, hoffen immer noch, dass die AEO den Sicherheitsdienst wechselt. Aktuelle und ehemalige Bewohner_innen wie Oumar B. sehen das Problem aber eher strukturell: »Selbst wenn das Unternehmen gewechselt werden sollte, würde das Gleiche wieder passieren«. Oumar B. ist der Meinung, dass der deutsche Staat dem AEO-Sicherheitspersonal das Mandat erteilt hat, die Asylsuchenden mit Negativbescheid oder »schlechter Bleibeperspektive« zu misshandeln. Denn die Funktion des Abschiebelagers innerhalb der AEO besteht darin, ausreisepflichtige Personen, die sich zum Beispiel wegen fehlender Reisedokumente als schwer abschiebbar erweisen, mit fast allen Mitteln zur Selbstabschiebung zu drängen. Und tatsächlich ist die tägliche Brutalität der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes für viele meiner Interviewpartner_innen eine Hauptmotivation gewesen, Bamberg zu verlassen. Neben Oumar B., Sidi F., Malick C. und Modou G. sind zahlreiche andere Asylsuchende weiter in andere europäische Länder geflüchtet.

Nach Ansicht der Bewohner_innen ist es die Polizei, die die Gewalt vollendet. Als Aarona K. mit Pfefferspray in der Kantine angegriffen wurde, trafen bald 15 Streifenwagen ein, um die »gefährliche« Lage zu sichern. Die Polizei beschrieb die von der Gewalt empörten Bewohner_innen als einen aggressiven Mob von »Schwarzafrikanern«, die bereit waren, »weitere Straftaten« zu begehen. Die Asylsuchenden werden bei Polizeieinsätzen nicht befragt. Normalerweise setzt die Polizei nicht einmal Dolmetscher_innen für Sprachen ein, die die Opfer gut verstehen würden. Ehemalige Mitarbeiter des AEO-Sicherheitsdienstes haben bestätigt, dass das Sonderteam das Monopol zu haben schien, über gewalttätige Zwischenfälle intern und bei der Polizei zu berichten. Die Polizei hat in dieser Zeit zahlreiche vom Sonderteam gefesselte Asylsuchende zur Festnahme abgeholt.

Der bayerische und deutsche Diskurs über »kriminelle Asylbewerber« hat sich seit 2015 intensiviert und ist 2018 um die Figur des Schwarzen Asylbewerbers regelrecht explodiert. Um die massiven Polizeieinsätze in Donauwörth und Ellwangen entwickelten sich Moralpaniken, begleitet von immer weitergehenden Politikvorschlägen aus der CSU. Das Mantra über die Abschiebung von »Straftätern und Identitätsverweigerern« ging Hand in Hand mit Praktiken der zunehmenden Kriminalisierung in bayerischen Abschiebelagern.

Seit Januar 2017 definiert das bayerische Polizeigesetz alle Asyllager als »gefährliche Orte« und ermächtigt die Polizei, in diesen anlasslose Kontrollen durchzuführen. Tatsächlich gibt es nun häufig Polizeieinsätze. (ak 639) So können die Bewohner_innen heute erwarten, dass auch die Polizei ihre Räume jederzeit ohne ersichtlichen Grund betritt - genau wie die Sicherheitskräfte. »Wir haben hier keine Sicherheit, wir leben in Gefahr«, sagt Mariama N.. Frauen in Bamberg leiden vor allem unter der Tatsache, in ihrem Alltag keine Privatsphäre zu haben. N. wurde in der AEO von männlichen Asylsuchenden angegriffen, die wiederum von männlichen Securitys geschützt wurden. Zwei Mal misshandelten sie Security-Mitarbeiter, drei Mal war sie in Polizeigewahrsam, ein Mal erlebte sie schwere Polizeigewalt. Mariama N. ist besorgt darüber, dass der ehemalige Leiter des Sonderteams während der noch andauernden Ermittlungen trotz seines derzeitigen Arbeitsverbotes immer noch häufig die AEO besucht und dort lange Gespräche mit den neuen Sicherheitskräften führt.

Wie die Ermittlungen gegen die Security-Angestellten ausgehen werden, bleibt abzuwarten. Nachdem sie im März 2018 bekanntgab, dass kaum Beweise vorlägen, wird ein Update der Bamberger Staatsanwaltschaft für Herbst 2018 erwartet.

Der größte Teil der Gewalt des »Sonderteams« gegen Asylsuchende ist noch nicht untersucht worden. Ihre Opfer können kaum Gerechtigkeit erwarten: Die meisten von ihnen wurden bereits aus Bamberg abgeschoben oder sind ausgereist. Selbst wenn sie in Deutschland bleiben könnten, stünden sie vor einem Rechtssystem, für das ihre bloße Anwesenheit bereits ein Verbrechen darstellt: »Was machen Sie in Deutschland? Warum sind Sie hier?« Vor einem deutschen Gericht werden sie zuerst für dieses »Verbrechen« verurteilt. Das hat mir die Beobachtung unzähliger Prozesse gegen Schwarze Asylsuchende und Geduldete in Deutschland klar gemacht.

»In Deutschland gibt es keinen Rechtsstaat«, sagt Oumar B., als ich ihn im Februar 2018 in Paris zu den Vorfällen befrage. »Sie schlagen jemanden, bis er blutet, ohne dass es Konsequenzen hat.« Weil ihm nach dem Dublin-System in Holland die Abschiebung nach Deutschland drohte, floh er nach Frankreich, wo er auf der Straße lebte. (1) Er sagte, er ziehe die eisige Kälte dem vor, was in Bamberg vor sich ging. Für die westafrikanischen Asylsuchenden scheinen süddeutsche Abschiebelager und sogar ganz Deutschland und Europa »gefährliche Orte« zu sein.

Aino Korvensyrjä promoviert an der Universität Helsinki zum deutschen Abschieberegime und zur Kriminalisierung der Migration. Sie ist aktiv bei Justizwatch (justizwatch.noblogs.org), Free Movement Network (www.vapaaliikkuvuus.net) und veröffentlicht Videos und andere Materialien zur Migrationskontrolle auf der Website cultureofdeportation.org.

Anmerkung:

1) Laut der Dublin-Regelung sollen Drittstaatsangehörige ihre Asylanträge in dem europäischen Land stellen, das sie als erstes betreten. Falls sie weiterreisen, müssen sie zurück in das jeweilige Land »überstellt« beziehungsweise abgeschoben werden.