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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 641 / 18.9.2018

Wer schützt uns vor den Investoren?

International Merkels Afrikareise und »Compact with Africa«

Von Paul Dziedzic

Schnell noch einen skurrilen Video-Blog hochladen, sich mit Weltenretter Bono treffen und anschließend mit einer Wirtschaftsdelegation und Journalist_innen im Schlepptau gen Westafrika fliegen. Mit militärischen Ehren empfangen werden, warme Worte austauschen, mit ausgewählten Organisationen der Zivilgesellschaft über Demokratie sprechen und erklären, sich erneut treffen zu wollen. Willkommen in der Welt des Multilateralismus.

Kanzlerin Angela Merkel hatte während der deutschen Präsidentschaft der Gruppe der 20 reichsten Länder (G20) 2017 das Projekt »Compact with Africa« initiiert. Auch für dieses Prestigeprojekt war sie Ende August in Westafrika unterwegs. Sie besuchte zwei der elf afrikanischen Staaten, die an »Compact with Africa« teilnehmen. Ziel des Programms ist es, reformwillige Staaten zu unterstützen, ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen, um somit die Wirtschaft zu stärken. Dazu war eine Wirtschaftsdelegation mitgereist. Einige der Wirtschaftsvertreter_innen unterzeichneten gleich mehrere Memoranden. Unter anderem plant VW, in Ghana und Nigeria Fabriken zu errichten.

Für die heimischen Kameras durfte natürlich das Thema Migration nicht fehlen. Und angesichts der Anspannung in der Koalition wirkte diese Reise wie eine willkommene Abwechslung. Hatte die Kanzlerin Westafrika seit ihrer ersten Amtszeit nur einmal besucht, war das schon ihre zweite Tour innerhalb von zwei Jahren. Seit 2015 sind westafrikanische Staaten bei EU-Politiker_innen beliebt. Es geht vor allem darum, die »illegale« Migration zu stoppen. Zunehmend ist jetzt auch von »Problemlösung vor Ort« die Rede.

Die beschönigende Rhetorik des Multilateralismus zeichnet ein Bild des Handelns, des Einvernehmens, des An-einem-Strang-Ziehens. Stets wird betont, wie wichtig es sei, ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen. Politische Debatten finden seit Ende des Kalten Krieges diesbezüglich, wenn überhaupt, nur noch auf nationaler Ebene statt.

Dabei sind sie nötig. Zum einen, weil sich schon beim letzten G20-Gipfel beobachten ließ, dass die afrikanischen Staaten wenig Agendasetting betrieben haben. Das gleiche Problem existiert auch in den anderen multilateralen Institutionen - sei es bei der Weltbank oder beim Internationalen Währungsfonds.

Diese Organisationen schreiben die Regeln der Globalisierung und festigen die Interessen der teilnehmenden Akteure. Daran und an der immer noch vorhandenen historisch bedingten Anspruchshaltung des Westens liegt es, dass die Kapazitäten vieler afrikanischer Staaten nicht ausreichen, um auf Augenhöhe mitverhandeln zu können.

Zum anderen: Was kostet es eigentlich, ein investitionsfreundliches Klima zu schaffen? Stets wird betont, dass Rechtssicherheit und starke staatliche Institutionen eine entscheidende Rolle spielen. Gemeint ist damit aber, dass der Staat Verträge einhalten und Unternehmensinteressen notfalls mit Gewalt gegen die eigene Bevölkerung durchsetzen kann.

Nicht gemeint sind indes die Kapazitäten, die nötig wären, die Unternehmensaktivitäten zu überwachen. Laut einem UN-Bericht entgehen afrikanischen Staaten durch Steuerflucht und andere dubiose Machenschaften bis zu 50 Milliarden US-Dollar jährlich.

Diese Summe liegt im Schnitt über der der Entwicklungsgelder und Direktinvestitionen. Der »Compact« bleibt auch bei sozialen und ökologischen Standards wortkarg. Vielmehr wird auf den guten Willen des Privatsektors gesetzt, sollen Investoren nicht direkt wieder vergrault werden. Dass also die Initiative tatsächlich an den Wurzeln des Problems ansetzt, ist mehr als fraglich.