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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 643 / 13.11.2018

Risse in der Achse

International Die rechten Regierungen Österreichs, Ungarns und Italiens trennt mehr, als sie eint

Von Benjamin Opratko

Als im Jahr 2000 die erste »blau-schwarze« Koalition Österreich regierte, verhängten die EU-Partnerländer noch diplomatische Sanktionen und schickten drei »EU-Weise« ins Land, um die Gefahr für die Demokratie beurteilen zu lassen. Auf EU-Ebene blieb die österreichische Regierung ohne Verbündete und weithin handlungsunfähig. Ganz anders ist die Situation heute. Obwohl sich die zweite Auflage von Schwarz-Blau politisch deutlich rechts von der ersten positioniert, ist sie alles andere als isoliert. Mit Ungarn und Polen existieren zwei Staatsprojekte innerhalb der EU, mit denen Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) politische Ziele und ideologische Werte teilen. Mit der Regierungsbeteiligung der FPÖ-Schwesterpartei Lega in Italien ist ein weiterer mächtiger Bündnispartner hinzugekommen.

Nun hat Österreich - ein glücklicher Zufall für den ambitionierten Bundeskanzler Kurz - im Juli 2018 für sechs Monate den turnusmäßigen Vorsitz im Rat der EU übernommen. Obwohl dies formal eine rein koordinierende Aufgabe ist, ermöglicht sie es der Vorsitzregierung, Themen zu setzen und politische Führungsansprüche zu erheben. Auf den ersten Blick bietet sich hier ein recht klares Bild. Die österreichische Regierung bildet eine politische Achse mit den Staaten der Visegrád-Gruppe und Italiens von Lega-Chef Matteo Salvini dominierter Regierung. Sie definiert sich vor allem über die Grenz- und Migrationspolitik: Nur wer kulturell kompatibel (also nicht muslimisch oder Schwarz) und ökonomisch nützlich ist (also bestimmte nachgefragte Fähigkeiten oder Kapital mitbringt), soll in Europa leben dürfen. Solange diese Auslese an den EU-Außengrenzen nicht gewährleistet werden kann, müssen nationalstaatliche Binnengrenzen hochgezogen werden. Dagegen steht ein liberaler Mehrheitsblock, angeführt von Angela Merkel und Emmanuel Macron, der zwar ebenfalls Migration kontrollieren und begrenzen, aber nicht die Personenfreizügigkeit innerhalb der Union zur Disposition stellen will.

Der rechte Durchbruch blieb aus

Nachdem gut die Hälfte der österreichischen Ratspräsidentschaft um ist, fällt eine Zwischenbilanz jedoch widersprüchlicher aus, als viele Beobachter_innen erwartet haben. Im Sommer schien es noch, als wolle die Regierung Kurz in die asylpolitische Offensive gehen. Durch die Aufstockung der europäischen Grenzpolizei Frontex und die Schaffung von »Anlandeplattform« genannte Lager in Nordafrika sollte das Recht auf Asyl in Europa de facto abgeschafft werden. Dafür intervenierte Kurz sogar offen in die deutsche Innenpolitik und stärkte in einem beispiellosen Akt Söder und Seehofer gegen Angela Merkel den Rücken.

Doch letztlich blieb der große rechte Durchbruch aus. Auf dem groß als Grenzschutzgipfel angekündigten Treffen der Staats- und Regierungschefs in Salzburg überlagerten die Brexit-Verhandlungen alle anderen Themen. Die »Anlandeplattformen« wurden zwar beschlossen, doch fand sich noch keine Regierung auf dem afrikanischen Kontinent, die der Errichtung von Anhaltelagern in de facto exterritorialen Gebieten zustimmen würde. Die Aufrüstung von Frontex wird bislang von den Regierungen südeuropäischer Länder blockiert, die um ihre Hoheitsrechte im Mittelmeer bangen. Dazu gehört auch die eigentlich verbündete Regierung Italiens.

Nicht nur hier werden überraschend tiefe Risse in der Achse Budapest-Wien-Rom sichtbar. Als liberale Teile der Europäischen Volkspartei dafür plädierten, Viktor Orbáns Partei Fidesz aus der konservativen EU-Parteienfamilie auszuschließen, verteidigte Kurz seinen ungarischen Partner nur halbherzig und positionierte sich eher als Vermittler zwischen den Lagern denn als Führer des rechten Blocks. Ein weiteres Zerwürfnis bahnt sich mit der italienischen Regierung an. Diese legte kürzlich einen Budgetplan vor, der die Austeritätsvorgaben der Europäischen Kommission verletzt. Auch hier ließ die österreichische Regierung den Verbündeten auflaufen. Österreich werde »sicher nicht für linkspopulistische Wahlversprechen zahlen«, polterte Kurz.

Der gemeinsame Weg in die Barbarei

Hier wird eine objektive, polit-ökonomische Widerspruchslinie deutlich, die quer zu den migrationspolitischen Bündniskonstellationen liegt und die die rechten Allianzen zumindest irritiert. Das österreichische Staatsprojekt ist die Verdichtung der ökonomischen Interessen von Exportindustrie, Immobilienwirtschaft und nicht zuletzt Banken und Versicherungen. Diese Kapitalfraktionen haben ein vitales Interesse daran, das europäische Wirtschaftsmodell, von dem sie überproportional profitieren, aufrechtzuerhalten. Und das Letzte, was das österreichische Bankkapital, das etwa über das Institut UniCredit eng mit Italien verwoben ist, brauchen kann, ist eine italienische Finanzkrise. Italien hingegen hat als EU-Peripherieland kaum eine andere Wahl, als sich gegen das EU-Korsett des neoliberalen Konstitutionalismus aufzulehnen, will es aus der Jahrzehnte andauernden wirtschaftlichen Stagnation ausbrechen.

Die Konflikte in der autoritären Achse bedeuten jedoch nicht, dass damit auch die rechten politischen Inhalte in die Defensive geraten. Im Gegenteil deutet sich auf europäischer Ebene an, was in Österreich schon vollzogen wurde: die Übernahme einer auf rassistische Ausgrenzung nach innen und außen zielenden Politik durch die »liberale Mitte«. In einem TV-Interview nach dem Salzburger Gipfel prahlte Kurz, was dort auf seine Initiative hin beschlossen wurde, sei »vor drei Jahren in der EU noch als rechts oder rechtsradikal bezeichnet worden«. Tatsächlich ist angesichts der zahlreichen ungelösten wirtschaftspolitischen Konflikte der »Schutz der Außengrenzen« das Letzte, worauf sich die europäischen Regierungen noch einigen können. So gesehen muss das eingangs gezeichnete Bild wohl revidiert werden. Es handelt sich nicht so sehr um einen Kampf zwischen einem rechten und einem liberalen Block. Eher wirken Kurz, Orbán, Salvini und Co. als Rammbock, um dem europäischen Bürgertum den Weg in die Barbarei zu ebnen.

Benjamin Opratko ist Redakteur von mosaik-blog.at in Wien.