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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 643 / 13.11.2018

4 Blocks. Marvin auf der Sonnenallee

Deutschrap, Drogen, dicke Autos: Zwei junge Männer fahren durch Kreuzberg und Neukölln. Sie machen mehrere Stopps, verticken Stoff und landen schließlich im Görlitzer Park. Gleich wird klar, dass die beiden die Straßendealer des Hamady-Clans sind.

Toni Hamady (Kida Ramadan) ist der Patriarch des Clans, der von Drogen, Schutzgeld, Casinos und Prostitution lebt. Nachdem sein Schwager Lativ (dargestellt von dem Rapper Massiv) am Anfang der ersten Staffel festgenommen wird, muss Toni sich wieder um die Familiengeschäfte kümmern. Tonis Bruder Abbas (gespielt vom Rapper Veysel) fungiert als Antagonist; die beiden befinden sich in einem permanenten Machtkampf. Abbas ist skrupellos, brutal - ganz so, wie sich weiße Jungs einen arabischen Gangster vorstellen.

Nach einem Plot rund um einen Spitzel, einen toten korrupten Polizisten und Tonis vergeblichen Versuchen, aus dem Geschäft auszusteigen, geht es genauso ereignisreich in der zweiten Staffel weiter: Vince, der Polizeispitzel, ist tot, Abbas wird wegen Mordes an dessen korrupten Kollegen zu lebenslanger Haft verurteilt, Toni weitet sein Business auf Immobilien aus. Der Krieg mit einem anderen libanesischen Clan, den al-Saafis, tobt weiter.

An einigen Stellen versucht die Serie Politisches. Zum Beispiel wird in der ersten Staffel Toni Hamadys Weg in die Unterwelt erklärt. Er durfte in Deutschland nicht zur Schule gehen und erhielt keine Arbeitserlaubnis. Seit 26 Jahren warten seine Frau Khalila und er auf eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Der altbekannte Trope des entrechteten Außenseiters, der durch Kriminalität an Macht und Geld kommen will, wird hier wiederholt. Am Anfang der zweiten Staffel sieht das jedoch anders aus: Toni hält seinen deutschen Pass in die Kamera, hat jedoch keine Absicht, das Dasein als Krimineller aufzugeben. Mittlerweile geht es ihm darum ein Imperium aufzubauen. Er will mit seinen Drogengeschäften »ganz Berlin übernehmen« und kauft ein Grundstück, um ein Hotel zu bauen.

Das deutsche Publikum und die deutsche Medienlandschaft sind begeistert: Endlich eine Serie über libanesische Clans in Berlin! 4 Blocks wird in den bürgerlichen Medien als »realistischer Einblick in das Milieu« (Zeit) gefeiert. Die Serie soll bei »allen Gesellschaftsschichten« gut angekommen sein. Gemeint ist damit, dass nicht nur »Ausländer«, sondern auch »Durchschnittsdeutsche«, diese Serie gucken.

Für manche scheint die Serie eine ähnliche Funktion wie Sozialreportagen zu erfüllen, wo Leute, die nichts mit dem Milieu zu tun haben, »eintauchen« und eine »Welt kennenlernen« die ihnen »unbekannt« war. Das ist, was die Recherche der Serie angeht, auch der Fall. Marvin Kren, der die erste Staffel drehte und in der zweiten noch als Produzent dabei ist, verbrachte im Vorfeld der Serie Zeit bei den echten Berliner Clans. Reproduziert wird ein gesellschaftlichen Machtverhältnis, indem weiße deutsche Männer in die Welt der »Libanesen« eindringen, um diese dann an »das breite Publikum« weiterzuvermitteln. Durch diese Vermittlerrolle wird das Verhältnis zwischen Privilegierten und Marginalisierten aufrechterhalten und gibt dem ganzen einen rassistischen Beigeschmack.

Ein weiteres Gesprächsthema um die Serie herum war Gewalt: Ist 4 Blocks nun gewaltverherrlichend oder kritisch gegenüber dieser Gewalt? Wichtiger als eine Antwort auf die Frage ist es jedoch, die Gewalt im Kontext der gesellschaftlichen Verhältnisse zu betrachten. Wie in allen Gangster-Geschichten ist die von den Verbrechern ausgeübte Gewalt reaktionär. Die Figur Abbas reproduziert die patriarchalen Zustände mit jedem Fausthieb gegen seine Angestellten, Gegner, gegen seine Frau und seine Schwester, also gegenüber Menschen die in der sozialen Hierarchie meist weiter unten stehen als er. Diese gewaltvolle Männlichkeit ist zweischneidig. Sie führt einerseits zur individuellen Selbstermächtigung, tritt aber gleichzeitig nach unten. In der Serie wird diese Dynamik manchmal humorvoll aufgebrochen. Wenn Abbas in Unterhose auf dem Sofa Playstation spielend seine Frau anschreit, erscheint seine Männlichkeit als Parodie ihrer selbst.

4 Blocks ist brutal und gelegentlich berechenbar, trotzdem, nicht zuletzt wegen der überzeugenden Bildsprache und der Musik, die von Veysel und anderen Rappern geliefert wird, sehenswert.

Bahar Sheikh