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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 647 / 19.3.2019

Kontrolle im Netz

International Am 23. März mobilisiert das Bündnis Save the Internet zu europaweiten Demonstrationen gegen die Urheberrechtsreform

Von Susanne Lang

Manchmal entsteht dieses Momentum: Dann kippt ein anscheinend aussichtsloser Dauerprotest und nimmt plötzlich Fahrt auf, wächst über sich und den Kreis der ursprünglich Protestierenden hinaus, schwappt in andere Kreise und wird zum Massenprotest. Das geschah bei den Protesten gegen das Anti-Piraterie-Abkommen (ACTA) im Jahr 2012. Im letzten Moment und für viele unerwartet konnte die Abstimmung im Europaparlament gewonnen und das Abkommen verhindert werden. Wer in den letzten Wochen die Diskussion über die europäische Urheberrechtsreform verfolgt hat, könnte sich daran erinnert fühlen. Menschen reden in der U-Bahn über Uploadfilter, die Tagespresse diskutiert die Auswirkungen des Gesetzes auf die Meinungsfreiheit, bundesweit finden viele kleinere und größere Demonstrationen statt. Auch dieses Mal geht es um die Rechte der sogenannten Verwerter: Verlage, Dienstleister, Verwertungsgesellschaften wollen ein größeres Stück vom Kuchen. Worum geht es eigentlich?

Zwei Ziele der Reform

Alles begann im September 2016. Auf Initiative der deutschen Verlagslobby - von Axel Springer über Bertelsmann bis Burda - hat der damalige Digitalkommissar Günther Oettinger den Gesetzesentwurf in seiner ursprünglichen Form vorgeschlagen. Die beiden wesentlichen Ziele der Reform: In Artikel 11 geht es um die Einführung des in der Bundesrepublik zuvor gescheiterten Leistungsschutzrechts für Presseverlage auf europäischer Ebene, quasi durch die Lobbyhintertür. Damit wollen sich die deutschen Verlage in erster Linie eine Vergütung von Google und anderen US-amerikanischen Internetriesen für die angebliche Zweitverwertung der von ihnen produzierten Inhalte sichern. Gemeint sind damit die Vorschauergebnisse in der Google-News-Anzeige, aber auch in der Suche. Gemeint sind aber auch alle anderen im weltweiten Netz, die auf Inhalte der Presseverlage verlinken und diese dabei zitieren. Die Idee der Verlage: Nicht nur Urheber haben ein Recht auf Vergütung, sondern auch sie selbst, und zwar ab dem ersten Satz. Dieses Gesetz würde eigentlich nur den jeweiligen nationalen Verlagsriesen nützen, wenn überhaupt. Darum sollte es auch in der Bundesrepublik wieder abgeschafft werden.

Das zweite Ziel der Reform beschreibt Artikel 13: Alle Onlineplattformen sollen verpflichtet werden, bei ihnen hochgeladene Inhalte automatisiert auf Urheberrechtsverletzungen zu scannen. Alle Inhalte bedeutet Text, Bild und Ton. Dadurch wären Diskussionsforen genauso betroffen wie YouTube. Uploadfilter werden ja bereits von IT-Riesen wie Google eingesetzt. Darum wissen auch viele Nutzer_innen, dass sie oftmals einfach sehr schlecht filtern. Satire von Urheberrechtsverletzung zu unterscheiden, ist für Maschinen nicht leicht. Auch wenn die Filter gut funktionierten, ist der Betrieb aufwendig und teuer - für viele kleinere Foren würde ein Einsatz wirtschaftlich nicht in Frage kommen und das Aus bedeuten. Doch die bedeutendere Kritik an den Uploadfiltern ist die strukturelle: Es würde das Internet in der Art verändern, dass faktisch niemand mehr etwas posten kann, das vorher nicht auf irgendwas gescannt wurde. Heute sind es Urheberrechtsverletzungen, morgen Terrorinhalte. Sobald die Filter da sind, ist die unkontrollierte Meinungsäußerung vorbei. Dass diese Befürchtung nicht unbegründet ist, zeigt der derzeit verhandelte Verordnungsentwurf der EU-Kommission, der die Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet verhindern soll. Auch hier sind Uploadfilter vorgesehen, für alle Diensteanbieter, um mutmaßlich terroristische Inhalte zu löschen.

Ende März 2019 - mehr als zwei Jahre und viele parlamentarische Verhandlungen und Kritiken später - soll der Gesetzesentwurf in verschlimmbesserter Form vom EU-Parlament abgestimmt werden: Direkt vor der Wahl des neuen Parlaments. In diese Abstimmung zu intervenieren und einen Prozess zu korrigieren, der seit über zwei Jahren kontinuierlich in die falsche Richtung läuft, ist das Ziel des Europaweiten Aktionstages am 23. März. Sollte es wirklich gelingen, massiven Druck auf den europäischen Straßen gegen die Urheberrechtsreform aufzubauen, könnte das Europaparlament den Gesetzesentwurf theoretisch noch ablehnen.

Empörung macht sich breit

Doch eigentlich sind die Entscheidungen schon gefallen. Im September 2018 wurde im Europaparlament bereits abgestimmt und damit auch die grundsätzliche Richtung des Gesetzes festgelegt: Die umstrittenen Artikel 13 (Uploadfilter) und Artikel 11 (Leistungsschutzrecht für Presseverlage) wurden angenommen. Eigentlich sollte es jetzt nur noch um Korrekturen gehen. Denn der Europarat, die Vertretung der Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, stimmte dem Vorschlag des Europaparlaments nicht zu - sonst wäre der Vorschlag vermutlich längst Gesetz geworden. Vor allem die beiden dominierenden Länder Frankreich und Deutschland konnten sich nicht so recht einigen, denn ihnen ging der Vorschlag nicht weit genug. Dadurch zog sich der Trilog, eine Art Vermittlungsausschuss zwischen Europarat und Europaparlament, in die Länge. Im Februar 2019 gab es dann eine Einigung und Verschärfung des Artikel 13, der die Uploadfilter definiert. Alle Plattformen, auf denen irgendein Inhalt hochgeladen werden kann, sollen zur Installation von Uploadfilter verpflichtet werden. Einzige Ausnahme sind Websites, die jünger sind als drei Jahre, einen Jahresumsatz von weniger als zehn Millionen Euro und weniger als fünf Millionen Nutzer_innen pro Monat haben.

Seither macht sich zunehmend Empörung breit. Die Trägheit, die oft Abwehrkämpfen innewohnt, scheint von einem sympathischen Größenwahn abgelöst zu werden, der oftmals Aneignungen innewohnt: eine Aneignung der EU gegenüber schamlosen Lobbyinteressen, eine Aneignung des Internets gegenüber den unverschämten Marktinteressen von Verlagsriesen, die zur Not das Internet analogisieren würden, um ihre Gewinne zu sichern. Auf einmal sind viele Menschen der Meinung, sie wollen, können und werden die Urheberrechtsreform, die Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht noch kippen. Ein Hoffnungsschimmer, für den es sich auf die Straße zu gehen lohnt.

Susanne Lang schreibt in ak über Netzneutralität und Digitales. In ak 645 schrieb sie über den rechten Datenleak zu Beginn des Jahres 2019.