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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 649 / 21.5.2019

Rechtes Bündnis gegen Frauen

International Konservative, Freiheitliche und Klerikale rütteln am Abtreibungsrecht in Österreich

Von Kornelia Kugler

Jährlich werden in Österreich rund 30.000 Abtreibungen vorgenommen, schätzen Fachleute. Eine offizielle Statistik gibt es nicht, da, anders als in Deutschland, die seit 1975 geltende Fristenregelung ohne Beratungspflicht auskommt: Im Rahmen der Frist von 14 Wochen ab Befruchtung kann eine Schwangerschaft straffrei abgebrochen werden. Danach gelten noch die medizinische und kriminologische Indikation als Ausnahme für einen straffreien Spätabbruch. Unter die medizinische Indikation fallen Gefahren für das Leben wie auch für schwere Schäden an der körperlichen oder seelischen Gesundheit der Schwangeren und embryopathische Indikationen, das heißt Fehlbildungen des Fötus.

Letztere Indikationen will nun die Bürgerinitiative »#fairändern« aus dem Gesetz streichen lassen. Unter dem Titel »Mehr Fairness für schwangere Frauen und ihre Kinder in Österreich« und mit Unterstützung aus Regierungs- und Kirchenkreisen fordert die Initiative unter anderem eine offizielle Statistik und Motivforschung zu Schwangerschaftsabbrüchen, vorgeschriebene Bedenkzeit vor dem Abbruch und ein Verbot des Spätabbruchs im Fall schwerer Schädigung des Fötus. Das würde bedeuten, dass auch ein lebensunfähiger Fötus bis zur Geburt ausgetragen werden muss.

Nur etwa 380 Schwangerschaften werden in Österreich jährlich aufgrund der medizinischen Indikation beendet. #fairändern greift diesen Teil der Fristenregelung an und beruft sich darauf, dass das Gesetz eine Diskriminierung von Menschen mit Behinderung darstellt. Auch die UN-Behindertenrechtskonvention und der Österreichische Behindertenrat sehen im Spätabbruch allein auf Basis der embryopathischen Indikation eine Diskriminierung von behinderten Föten. Momentan entscheidet in den Krankenhäusern, die solche Abbrüche durchführen, eine Ethikkommission über die einzelnen Fälle. Es wird betont, dass der gesetzliche Rahmen sehr streng ausgelegt wird und Abbrüche nur bei sicherer Indikation durchgeführt werden, nicht bei einem starken Verdacht, wie ihn das Gesetz verlangt.

Von »mehr Fairness« kann keine Rede sein

#fairänderen kritisiert, dass diese »freiwillige Selbstkontrolle« allein der Kommission obliegt und nicht gesetzlich festgeschrieben ist. Die deutsche Gesetzeslage, im Rahmen derer seit 1995 die von Abtreibungsgegner*innen sogenannte »eugenische Indikation« gestrichen und die Beratungspflicht eingeführt wurde, wird als positives Beispiel herangezogen. Auch der Behindertenrat empfiehlt die deutsche Regelung: Als Grund für einen Spätabbruch zählt nur noch die medizinisch-soziale Indikation. Damit könne das Wahlrecht der Schwangeren aufrecht erhalten werden, und man verhindere Diskriminierung behinderter Föten. Dennoch fordert auch der Behindertenrat, dass die »Fristenlösung unangetastet bleiben muss«. (www.behindertenrat.at)

Nur 55.309 Menschen haben seit Juni 2018 bis Anfang Mai 2019 die Petition von #fairändern unterzeichnet. Nichtsdestotrotz beschloss der Petitionsausschuss des Nationalrats am 7. Mai, die Debatte zu vertagen, um »noch weitere Stellungnahmen zur Bürgerinitiative #fairändern einzuholen«. Im Vergleich dazu: Das Frauen*Volksbegehren mit 481.959 Unterschriften, in dem u.a. freier und kostenloser Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gefordert wurde, wird bisher größtenteils mit Nichtbeachtung gestraft. (frauenvolksbegehren.at)

Aber unabhängig von der relativ geringen Unterschriftenanzahl wurde durch #fairändern die Diskussion über die Fristenregelung wieder heraufbeschworen. Die Regierungsparteien können damit eine neue Regulierung vorantreiben - schließlich sei #fairändern eine Bewegung aus der Bevölkerung. Dabei finden sich unter den Unterstützer*innen von #fairändern zahlreiche Nationalratsabgeordnete der FPÖ und ÖVP, der ehemalige Präsidentschaftskandidat und jetzige Bundesminister Norbert »Sie werden sich wundern, was alles gehen wird« Hofer ist einer der Erstunterzeichner. Schon im Regierungsprogramm von Ende 2017 wurden mit der »Beratung vor geplanten Schwangerschaftsabbrüchen« und der »Verhinderung von Spätabtreibungen« genau jene Themen angepeilt, die die Petition seit Juni 2018 behandelt.

Auch die massive Kürzung von Geldern für Frauenprojekte und Familienberatungsstellen und das (seinen Namen nicht verdienende) neue Sozialhilfegesetz, sprechen Bände über die Agenda der ÖVP/FPÖ-Regierung: Von »mehr Fairness« kann keine Rede sein, unsozialer geht es kaum.

Eine Gegenpetition fordert, »#keinenMillimeter« vom bestehenden Recht abzurücken. (mein.aufstehn.at) Getragen wird sie von einem Bündnis aus diversen Organisationen und Vereinen, darunter das Frauen*Volksbegehren, der Österreichische Frauenring, Pro Choice Austria und den ÖGB-Frauen, sowie allen Oppositionsparteien: SPÖ, Grünen, Neos und Jetzt. Das Bündnis fordert, die derzeitige Regelung unverändert zu lassen und das Selbstbestimmungsrecht von Schwangeren und Familien zu respektieren. Die am 23. April 2019 gestartete Online-Petition wurde bisher 25.021 Mal unterschrieben.

Es ist nicht neu, dass sich die Rechte als Beschützerin von Frauen oder Menschen mit Behinderung inszeniert. Es ist an uns zu zeigen, wie wenig das der Realität entspricht, und uns nicht gegeneinander ausspielen zu lassen - vor allem, wenn sich der vermeintliche »Lebensschutz« hauptsächlich auf Embryonen und Föten in Uteri und nicht auf würdige Existenzbedingungen für alle bezieht. #fairändern ist ein besonders perfides Beispiel dafür, wie im Fahrwasser des Rechtstrends mühsam erkämpfte Selbstbestimmungsrechte wieder einkassiert werden sollen.

Kornelia Kugler schrieb in ak 646 über die Serie »Pose«.