Wer ist die Opposition im Sudan?
International Nach al-Baschirs Sturz: ein Blick auf die Akteure der Opposition und ihre Geschichte
Von Magdi El-Gizouli
Die Absetzung von Präsident Omar al-Baschir und die Übernahme der Staatsmacht durch das Militär haben die Demonstrant*innen nicht dazu gebracht, nach Hause zu gehen oder ihre Forderung nach einem Regimewechsel fallenzulassen. Massenhaft demonstrieren sie weiterhin, wenden sich gegen den Militärputsch und fordern die Übergabe der Macht an eine zivile Übergangsregierung. (Siehe Kasten) Da die künftige Entwicklung des Sudans offen ist, ist es wichtig, sich die Ursprünge und Ziele jener Kräfte, die das Land in den letzten Monaten erschüttert haben, zu vergegenwärtigen.
Wer in aller Welt ist die Sudanese Professionals Association (SPA)? Wieder und wieder stellten Kommentator*innen und Nachrichtensprecher*innen in den regierungsnahen Sendern des Sudans diese Frage, ganz so, als ob sie an einen Zauber gebunden wären. Eines ist klar: Die SPA, die die sudanesische Politik seit Dezember 2018 aufwirbelt, wirft Fragen auf.
Ihren Anfang nahmen die Proteste gegen die autoritäre Herrschaft al-Baschirs in Atbara, einer staubigen Stadt zwischen Nil und Wüste, etwa 350 Kilometer nördlich der Hauptstadt Khartum. (ak 645) Schüler*innen, Markthändler*innen und Student*innen versammelten sich zu Protesten gegen die Regierung, zunächst als Reaktion auf die Verdreifachung des Brotpreises infolge der Streichung der Weizenbeihilfe durch die Regierung. Demonstrant*innen in mehreren Städten setzten die Büros der regierenden National Congress Party (NCP) in Brand, stürmten lokale Regierungsgebäude und Lagerhäuser der Zakat-Kammer, aus denen sie große Mengen Lebensmittel entwendeten. (1)
Abspaltung des Südsudans und wirtschaftlicher Absturz
Seit der Unabhängigkeit des Südsudans 2011, als der Großteil der Öleinnahmen der Regierung über Nacht versiegte, befindet sich die sudanesische Wirtschaft im freien Fall. Die geballten Effekte der Währungsabwertung und Hyperinflation, schwindender Fremdwährungsreserven sowie einer Bankenkrise haben die Wirtschaft in die Krise gestürzt. Die Regierung reagierte mit einer neuen Runde von Sparmaßnahmen, kürzte die Sozialausgaben und die Subventionen für Brennstoffe, Strom und Weizen.
Als 2011 Aufstände zahlreiche autoritäre Regime der arabischen Welt erschütterten, war der Sudan vollkommen von der Trennung des Südsudans eingenommen. (2) Die Abspaltung war erwartungsgemäß ein schwieriger Prozess und gipfelte in erneuten Kampfhandlungen an der Grenze zwischen dem Sudan und Südsudan. Auch in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil flammten die Kämpfe nach einer kurzen Friedensphase wieder auf. Und im gerade unabhängigen Südsudan entbrannte ein Bürgerkrieg, in dem die beiden Hauptstädte Khartum und Juba um Einfluss rangen.
Der erste Haushalt des Sudans nach der Abspaltung des Südens enthielt eine Reihe von Sparmaßnahmen. Im September 2013 schlug die Regierung eine Reihe von Unruhen in Khartum brutal nieder, die sich gegen den Anstieg der Treibstoff- und Brotpreise richteten. Mindestens 185 Demonstrant*innen wurden getötet.
Im Nachhinein lassen sich die Ereignisse von 2013 als Vorläufer der aktuellen Proteste gegen al-Baschir und seine Regierung verstehen. Die neue Protestgeneration, zumeist Student*innen und Berufsanfänger*innen, meidet die hierarchischen Strukturen der etablierten Parteien und organisiert sich mit Hilfe des Internets. Anstelle von identifizierbaren Anführer*innen gaben Gruppen wie Girifna (Wir haben es satt), Sharara (Funke) und Change Now den lose organisierten Protesten vom September 2013 eine Stimme, die durch die sozialen Medien global verstärkt wurde.
Die Herrschaft der Islamisten
Damals bestritt Präsident al-Baschir, dass das Fieber des Arabischen Frühlings das Land infiziert habe. Der Sudan habe diese Phase bereits übersprungen. Und irgendwie hatte er Recht. Der Arabische Frühling des Sudans war wohl eher der Aufstand von April 1985, der zu jenem Militärputsch führte, der die 16-jährige Diktatur von Präsident Gaafar Nimeiry beendete und eine kurze Phase der parlamentarischen Demokratie einleitete. Sie dauerte von 1986 bis 1989.
Nimeiry, ein Autokrat im Stile Nassers (3), war zunächst Partner des kommunistischen Blocks, wechselte dann ins US-Lager und wurde Washingtons Mann am Horn von Afrika. Nachdem er durch gescheiterte staatliche Entwicklungsmegaprojekte gewaltige Schulden angehäuft hatte, war seine Regierung gezwungen, eine Reihe von »Reformen« einzuleiten, die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) entworfen worden waren. Sie umfassten alle bekannten Rezepte des neoliberalen Modells: Währungsabwertung, Subventionskürzungen, die Privatisierung von Staatsbetrieben und die Senkung der Sozialausgaben.
Nimeiry hat die IWF-Reformen politisch nicht überlebt. Die Wut der Bevölkerung über die Sparpolitik in Khartum, das wegen der Landflucht vor dem Krieg im Süden und Hungersnöten im Westen (4) aus allen Nähten platzte, beendete seine Herrschaft nach nur zwei Wochen massiver Proteste im April 1985. Obwohl es der ägyptische Präsident Anwar as-Sadat, der wichtigste regionale Verbündete von Nimeiry, geschafft hatte, die Unruhen von 1977 gegen die Sparpolitik in Ägypten zu zerschlagen und die Gunst der Islamisten zu gewinnen, wurde er später durch die Hände genau jener Islamisten getötet, die er zu instrumentalisieren versucht hatte, um die protestierenden Massen zu bändigen. Im Sudan schmiedete Nimeiry ein ähnliches Bündnis mit der sudanesischen islamischen Bewegung unter der Führung von Hassan al-Turabi.
Die sudanesischen Islamisten nutzten ihr Bündnis mit Nimeiry, um junge, gut ausgebildete Kader, meist aus den Provinzstädten, in staatlichen Institutionen zu platzieren, um sich auf den Griff nach der Macht vorzubereiten. Das Versprechen einer Islamischen Renaissance stattete diese ehrgeizige Mittelschicht mit einem neuen politischen Vokabular aus, mit dem sie gegen die herrschende Klasse agitierte. Schließlich eroberte die islamische Bewegung 1989 mit Hilfe des Militärs den Staat und errichtete eine religiös gefärbte Autokratie.
Einmal an der Regierung, setzten die Islamisten genau jene »Reformen« um, die Nimeiry politisch nicht hatte durchsetzen können. Ihr Politikverständnis stimmte mit dem des neoliberalen Modells vollständig überein. Unter ihrer Herrschaft fungierte der Staat als Motor der Privatisierung und Liberalisierung, organisierte die Wirtschaftstätigkeit im Einklang mit den Interessen des Großkapitals, popularisierte eine Konsum- und Konkurrenzkultur, die wenige Gewinner*innen belohnte und die vielen Verlierer*innen durch eine Kombination aus Disziplinarmaßnahmen und roher Gewalt kontrollierte. (5)
In den letzten 30 Jahren kam die Opposition gegen die Herrschaft der sudanesischen Islamisten entsprechend aus zwei Kreisen: der alten herrschenden Klasse (6), die durch die islamistische Übernahme des Staates entmachtet worden war, und den bewaffneten Bewegungen in den Randprovinzen des Sudans - Südkordofan, Blauer Nil und Darfur. Erstere verfolgte eine Politik der Rückkehr zum alten Modell oligarchischer Herrschaft, deren sozioökonomische Grundlagen aber längst erodiert sind. Die zweite versuchte wiederholt - erfolglos -, ein Bündnis der marginalisierten, nicht arabisch sprechenden Bevölkerungsgruppen des Sudans zu schmieden, um das System rassistischer und sozialer Privilegien zu beenden, das die Dominanz der Elite aus dem sudanesischen Kernland absichert.
Die Antwort der Islamisten war eine weitgehend erfolgreiche Politik der Einbindung von Führungsfiguren der alten Establishmentparteien und aus den Provinzen in die herrschende Klasse. Die Regierung unterzeichnete mehrere Friedensabkommen mit Rebellengruppen aus Darfur, wie das Darfur-Friedensabkommen von 2006 und das Doha-Abkommen von 2011, und übergab Regierungsposten an Politiker aus marginalisierten Bevölkerungsgruppen. Die Realpolitik des Überlebens gegen regionale und internationale Widerstände motivierte al-Baschirs Abkehr vom ideologischen Eifer der Islamischen Renaissance und seine Wende hin zu einem pragmatischeren, klientelistischen Regierungsstil. Um diesen Schritt abzusichern, schaffte er sich auch seinen alten Weggefährten Hassan al-Turabi, den erfahrenen Führer der islamischen Bewegung, vom Hals - und anschließend die meisten bedeutenden Politiker der Bewegung.
»Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit«
Für die jungen Frauen und Männer, die heute auf den Straßen des Sudans protestieren, viele von ihnen Student*innen, Angehörige qualifizierter Berufe und der Mittelschicht, bleibt der politische Islam die Ideologie des regierenden Gegners. Es ist der koz (Arabisch für »Schaufel« oder »Schippe«), ein sudanesischer Begriff, der die Gier der Islamisten symbolisiert, dem die Demonstrant*innen ein Ende machen wollen. Durch den Bankrott des islamistischen Regierungsprojekts hat das Vokabular des »Islam« seine moralische und ideologische Zugkraft für die Opposition verloren. Die Demonstrant*innen stehen vor der Herausforderung, eine alternative politische Sprache zu erfinden. Bisher basierten ihre Protestaufrufe auf vagen Ideen von »Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit«.
Ein Grund für den Erfolg der SPA bei der Mobilisierung gegen al-Baschir ist tatsächlich ihre Aura politischer Unschuld. Die jungen Frauen und Männer, die den Aufrufen der SPA folgen, tun dies, weil sie ihren Zorn gegen die allgegenwärtige Korruption, Vetternwirtschaft und Ineffizienz ausdrückt, aber auch, weil sie ihre Frustration über das Versagen der politischen Klasse quer durch alle Spektren auf den Punkt bringt. Als Organisation steht die SPA für keine spezifische politische Orientierung. Sie spricht eine universelle Sprache der Freiheiten und Rechte, auf die jeder Bürger Anspruch habe, und verspricht einen Ausweg aus den Fängen der Autokratie. Interessanterweise stammt ihre Rhetorik weitgehend aus dem Erbe des Effendiya-Nationalismus, der Arbeitsideologie der kleinen Klasse der gebildeten Sudanes*innen. (7) Es waren meist muslimische, arabischsprachige Sudanes*innen aus dem flussabwärts gelegenen Kernland, die als junge Angestellte und Verwalter unter anglo-ägyptischer Kolonialherrschaft dienten und den Kolonialstaat erbten.
Dieser Rückgriff auf die nationalistische Rhetorik könnte als ein Versuch interpretiert werden, die Bilder des nationalen Zusammenhalts aus einer imaginären Vergangenheit heraufzubeschwören. Es ist jedoch genau dieser Nationalismus der Effendiya-Klasse, der es versäumte, eine politische Heimat für die vielen Bevölkerungsgruppen des Sudans anzubieten, und der für den Zerfall der postkolonialen sudanesischen Gesellschaft in brutale Bürgerkriege verantwortlich gemacht wird. Im Gegensatz zu dieser Idee einer nationalen Einheit haben die vielen Entrechteten des Sudans alternative nationale Identitäten - der Arbeiterklasse, der Frauenbewegung, der unterdrückten Nationalitäten - eingeführt.
Abgesehen von der Mobilisierung erfüllt die Verschleierung politischer Konflikte durch die Glorifizierung der Nation eine sehr konkrete Funktion: Sie erlaubt es den stets zerstrittenen Oppositionskräften, auf der von der SPA erzeugten Welle mitzuschwimmen. Die konkurrierenden Oppositionskoalitionen des Sudans, der Sudan Call und die National Consensus Forces sowie eine Fraktion der Demokratischen Unionistischen Partei, haben die Erklärung für Freiheit und Wandel der SPA unterzeichnet.
Die SPA: Gewerkschaft und politischer Akteur
Angesichts der permanenten Streitigkeiten und wechselnden Allianzen zwischen den Oppositionskräften ist es kein Wunder, dass die Entstehung der »mysteriösen« SPA in der Bevölkerung mit Begeisterung aufgenommen wurde. Die SPA wurde 2016 als Zusammenschluss dreier Berufsverbände gegründet: des Zentralkomitees Sudanesischer Ärzte, einer Journalistengewerkschaft und der Allianz Demokratischer Anwälte. Der erste ist ein Streikkomitee, das aus einem erfolgreichen Ärztestreik 2016 hervorging. Der zweite wurde 2012 als Zusammenschluss sudanesischer Journalist*innen gegen die regierungsnahe Journalistengewerkschaft gegründet. Der dritte entstand aus einer Wahlliste oppositioneller Anwält*innen, die um Einfluss auf die regierungsnahe sudanesische Anwaltskammer ringt.
Im August 2018 veranstaltete die SPA eine schlecht besuchte Pressekonferenz in Khartum, auf der sie vor dem Hintergrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage des Sudans eine Studie über den Mindestlohn vorstellte. Als die Proteste in Atbara, Gedaref und anderen Provinzstädten ausbrachen, verlagerte die SPA ihr politisches Aktionsfeld rasch. Am Vorabend des Unabhängigkeitstages am 1. Januar 2019 veröffentlichte sie eine »Erklärung für Freiheit und Wandel«, die den bedingungslosen Rücktritt des Regimes von al-Baschir und die Bildung einer Übergangsregierung verlangte.
Die SPA beflügelte die politische Fantasie in den sozialen Medien im Sudan. Ihr Erfolg in der sudanesischen Diaspora ist ein Paradebeispiel hierfür. Sie schuf einen inhaltlichen Bezugspunkt und befähigte breite Schichten junger Frauen und Männer zum Handeln. Aktivist*innen aus unterschiedlichen Berufen - Universitätsdozent*innen, Tierärzt*innen, Ingenieure, bildende Künstler*innen und andere - gründeten eigene Verbände nach dem Vorbild der SPA, um sich der »Freedom-and-Change«-Erklärung anzuschließen.
Die Doppelstrategie der SPA, als Gewerkschaftsverband und politischer Akteur aufzutreten, war erfolgreich. Hierin ähnelt sie früheren politischen Organisationen im Sudan, nämlich der Syndicated Front, die die Revolution von Oktober 1964 anführte, mit der die Militärherrschaft von General Abboud beendet wurde, und dem Gewerkschaftsverband, der im Aufstand von 1985, der das Regime von Präsident Nimeiry zu Fall brachte, eine zentrale Rolle spielte. Es gibt jedoch auch wichtige Unterschiede. Sowohl die Syndicated Front 1964 als auch die Trade Unions Association 1985 agierten in Sektoren, in denen die Regierung der wichtigste Arbeitgeber jener gut ausgebildeten Beschäftigten war, die sie durch Streiks und Mobilisierung der Bevölkerung herausforderten. Beide Organisationen konnten auf die Unterstützung militanter Gewerkschaften wie der Bahnarbeitergewerkschaft zählen, die strategisch perfekt positioniert ist, um eine Wirtschaft, die auf dem Verkauf landwirtschaftlicher Güter basiert, lahmzulegen.
Die Akteure der SPA kommen im Gegensatz dazu vor allem aus den freien Berufen. Die Privatisierungspolitik in der Regierungszeit der Islamisten und die Kommerzialisierung von Gesundheit und Bildung hat den Arbeitsmarkt im Sudan zugunsten von privater Unternehmen verändert. Das hat auch Streikaktionen in diesen Branchen erschwert. Staatsbedienstete sowie Beschäftigte in der Industrie, im Bankensektor und Kommunikationswesen, die dieses ungünstige Kräfteverhältnis aufheben könnten, müssen ihre Gewerkschaften erst noch ausbauen, um sich den Forderungen der SPA nach einem Generalstreik anschließen zu können. Durch ihre Zusammensetzung ist die SPA zudem weit weg von den Sorgen und Nöten der vielen Subsistenzbäuer*innen im Sudan, der Kleinbäuer*innen und Agrararbeiter*innen, der Tausenden, die in den Wüsten und Tälern überall im Sudan nach Gold schürfen, und der Massen der städtischen Armen.
Wer bremst den Wandel?
In diesem Moment der revolutionären Krise stemmen sich eine Reihe von Kräften gegen den Wandel im Sudan. Hierzu zählen Sicherheitskräfte und Militärs, private Milizen, Großunternehmen und Lebensmittelimporteure, Bankiers, Großgrundbesitzer, Prediger und Bürokrat*innen. Sie alle haben ein gemeinsames Interesse daran, den Status quo zu erhalten. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Reaktion von Präsident al-Baschir auf die monatelangen Proteste zunächst darin bestand, am 22. Februar den landesweiten Ausnahmezustand auszurufen. Er löste die Regierung auf, ersetzte Provinzgouverneure durch Militärs und Sicherheitsleute und baute seine Regierungspartei autoritär um. Diese Schritte bedeuteten eine Verschiebung der Kräfteverhältnisses in der herrschenden Klasse zugunsten des Militärs und der Sicherheitsapparate.
Die anhaltenden Proteste im Sudan haben den Geist des Arabischen Frühlings neu entfacht, aber auch die einflussreichen konterrevolutionären Kräfte der Region auf den Plan gerufen. In seinen vielen Reden seit Beginn der Proteste hatte al-Baschir Ägypten, Katar, Russland und China für ihre Unterstützung gedankt. In diesen wahllos anmutenden Allianzen spiegelt sich der pragmatische Charakter des sudanesischen Regimes wider: einer Militärautokratie, entstanden aus der Eroberung des Staates durch eine moderne islamische Bewegung, die sich dem Neoliberalismus verschrieben hat und sich einer chauvinistischen Ideologie bediente, die auf der Vorstellung von der Vorherrschaft der arabischsprachigen Muslime des Sudans über seine vielen anderen Bevölkerungsgruppen basiert. Die größte Überraschung für Präsident al-Baschir war wohl, dass der Widerstand gegen seine Herrschaft genau von jenen Menschen ausging, von denen er behauptete, sie gegen die Verschwörung von Rebellen und internationalen Mächten zu verteidigen.
Magdi El-Gizouli ist ein sudanesischer Wissenschaftler und Fellow am Rift Valley Institute. Er schreibt über sudanesische Angelegenheiten auf stillsudan.blogspot.com.
Dieser Artikel erschien am 12. April 2019, einen Tag nach der Absetzung Omar al-Baschirs, zuerst auf der Seite Arab Reform Initative. Für ak wurde er leicht gekürzt und aktualisiert.
Übersetzung: Jan Ole Arps
Anmerkungen:
1) Zakat ist eine religiös begründete Verpflichtung in Form einer jährlichen Vermögensabgabe von rund 2,5 Prozent. Ein von der Regierung verwalteter Zakat-Fonds wurde im Sudan 1980 zunächst auf freiwilliger Basis eingerichtet. 1984 wurde die Abgabe mit der Gründung der Zakat-Kammer verbindlich festgeschrieben.
2) Ein Friedensabkommen zwischen der sudanesischen Regierung und der Sudan People's Liberation Army/Movement (SPLA/M) beendete 2005 den längsten Krieg Afrikas. Das Abkommen gewährte den Südsudanes*innen ein Referendum. Eine überwältigende Mehrheit stimmte dafür, sich vom Sudan zu trennen und ein eigenes Land zu bilden.
3) Gamal Abdel Nasser war von 1954 und 1970 Staatspräsident Ägyptens und ein wichtiger Vertreter des arabischen Nationalismus bzw. Panarabismus.
4) Der zweite Bürgerkrieg im Sudan begann 1983 mit der Rebellion der Bor-Garnison im Südsudan. In den Jahren 1980-1984 kam es in den westlichen Regionen Kordofan und Darfur zu einer schweren Dürre.
5) Das Gesetz über die öffentliche Ordnung von 1992 ist eine Auslegung der Scharia, die darauf abzielt, die städtischen Armen durch die Einführung eines Kleider- und Verhaltenskodex zu kontrollieren. Die sudanesische Regierung griff auch auf kriegerische Mittel zurück, um die Subsistenzlandwirtschaft in den Randgebieten des Sudans - Darfur, Südkordofan und Blauer Nil - zu zerschlagen und bewaffnete Rebellionen zu unterdrücken.
6) Die Umma-Partei und die Demokratische Unionistische Partei sind beide politische Vehikel von Patrizierfamilien, der Ansar und der Khatmiyya.
7) Effendiya ist ein ursprünglich aus dem Türkischen stammender Begriff für ausgebildete Bürokrat*innen; er wurde von britischen Beamten während der anglo-ägyptischen Doppelherrschaft verwendet, um die neue Klasse der gebildeten sudanesischen Beamt*innen zu bezeichnen.
Der Machtkampf geht weiter
Nach al-Baschirs Absetzung am 11. April installierte die Armee einen Militärrat, der das Land übergangsweise regieren sollte. Die Protestbewegung wies dies als Putsch zurück und setzte die Sitzblockade vor dem Armeehauptquartier in Khartum fort. Am 14. Mai meldeten Armee und Opposition, man habe sich auf eine dreijährige Übergangsphase geeinigt, in der ein Rat aus Militärs und ziviler Opposition die Geschicke des Landes lenken solle. Tags darauf beschossen offenbar Angehörige einer berüchtigten Spezialeinheit die Sitzblockade, sechs Menschen starben. Am 16. Mai setzte das Militär die Verhandlungen mit der Opposition für drei Tage aus und verlangte die Räumung der Blockaden in Khartum.