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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 652 / 16.9.2019

Viel Krach um Mugabe

International Das Erbe des Ex-Präsidenten von Simbabwe ist umstritten - zu viele Widersprüche prägten seine Amtszeit

Von Paul Dziedzic

Auch nach seinem Tod im Alter von 95 Jahren spaltet Robert Mugabe Pan-Afrikanist*innen. Die einen betonen die Unabhängigkeit Simbabwes, die Enteignung weißer Großgrundbesitzer*innen, und seine anti-westliche Rhetorik. Gegner*innen heben hervor, dass er das Land herunterwirtschaftete, die Großgrundbesitzer*innen durch Parteitreue Veteran*innen ersetzte, die Opposition und Andersdenkende, unter anderem LGBTQI*, verfolgte, und Wahlen manipulierte.

Das Klischee, das nicht funktioniert

Westliche Medien bedienen auch nach Mugabes Tod Klischees vom »Afrikanischen Diktator«: Bösartig, brutal, unwillens, die eigene Inkompetenz anzuerkennen, ein Feind des liberalen Westens und seiner Werte. Dabei schwingt mehr mit, als eine reine Kritik an ihm, nämlich eine simple, paternalistische Projektion auf einen Kontinent, seine Vergangenheit und Gegenwart. Mugabes Tiraden gegen die Ungerechtigkeiten des postkolonialen Zeitalters werden bis heute ohne tiefgehende Diskussion abgetan, und Maßnahmen wie die ökonomischen Sanktionen kleingeredet.

Eine zweite Art, Mugabe zu beschreiben, fasst ein Artikel des Guardian zusammen, der ihn als »gefallenen Engel« bezeichnet: Einst ein Darling des Westens, der mit der Queen tanzte und dem Land zu einem wirtschaftlichen Aufschwung verhalf, verwandelte er sich in einen brutalen Diktator.

Auch dieses Porträt weist bedeutende Defizite auf. Die Unterscheidung zwischen dem frühen, guten und dem späten, verdorbenen Mugabe funktioniert nicht. Er war über den gesamten, langen Zeitraum seiner Herrschaft, ein Machtmensch. Baute er anfangs noch auf gute Beziehungen zur ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien und dem Westen, der ihn nicht zuletzt aufgrund des Kalten Krieges und seiner »besonnenen« Rhetorik lobte und unterstütze, hatten sich die Zeiten in den 1990ern geändert. Der Zerfall der bipolaren Weltordnung, in der er die Erste gegen die Zweite Welt ausspielen konnte, sowie der Siegeszug des Neoliberalismus in Form von schädlichen Strukturanpassungsprogrammen (SAP) des IWF, stellten eine Bedrohung für Mugabe und seine Partei dar. Die SAP knüpften Gelder der Weltbank und des IWF an Deregulierungen; zum Beispiel den Verkauf von Staatsbetrieben, den Abbau von Subventionen oder flexible Wechselkurse.

Im Jahr 2000 war Mugabe infolge der schlechten ökonomischen Bedingungen in der Gunst der Bevölkerung gesunken. Erst verlor er ein Referendum für eine Verfassungsänderung, dann gewann er die Wahl später im gleichen Jahr nur knapp. Die Opposition ist sich bis heute sicher, dass er verloren hatte. Die Strategie Mugabes war dann, die Enteignung der weißen Großgrundbesitzer*innen zuzulassen, eine Maßnahme, die zwar schon lange überfällig war, deren Früchte aber letztendlich nicht allen zuteil wurden, sondern überwiegend den Veteran*innen aus seiner Partei. Die darauffolgenden, ironischerweise »smart« genannten Sanktionen galten offiziell den Irregularitäten beim Referendum und den Wahlen, sowie den schlechten Menschenrechtsbedingungen. Hinter den Sanktionen steckte aber auch eine Bestrafung für die Enteignungen einer kleinen Gruppe weißer Großgrundbesitzer*innen, die ihre riesigen Ländereien aus der kolonialen Zeit behalten hatten. Eine Entschädigung scheint bis heute Teil der Bedingungen für die Aufhebung von Sanktionen zu sein. Diese beläuft sich auf über 10 Milliarden Dollar. Eine Diskussion über koloniale Kontinuitäten in Form der Landfrage oder die Folgen der SAP fehlen.

Hüter der Revolution?

Mugabe hatte bis zum Ende weltweit Fans und Bewunder*innen, die seine Partei ZANU-PF als Hüterin der Revolution sahen. Doch auch wenn Nord-Süd-Beziehungen tatsächlich von einer verheerenden Asymmetrie geprägt sind, gibt es viel Kritik, die davon nicht gedeckt ist.

So gab es bis zuletzt Vorwürfe, er hätte sich persönlich bereichert, während Millionen Menschen an Arbeitslosigkeit und Armut litten. Um die 15 Milliarden Dollar aus dem Diamantenabbau sollen verschwunden sein, doch Mugabe bestreitet, an deren Verkauf beteiligt gewesen zu sein. Seine Antwort war schon fast voraussehbar: finstere Mächte im Staat, die geheime Deals an der Bevölkerung vorbei machten und Teil des imperialistischen Systems seien. Ähnliche Vorwürfe gab es schon rund um seine Teilnahme am Kongo-Krieg, bei dem Millionen Zivilist*innen starben. Rhetorisch erklärte er seine Einmischung als Kampf gegen die Mächte des Imperialismus auf dem Kontinent. Doch ob sein Verbündeter, der kongolesische Ex-Präsident Kabila, sich für die Emanzipation des Kontinents einsetze, ist fraglich. Auch in Sachen Bürgerrechte fielen Mugabe und seine Partei nicht zuletzt durch stark konservative Werte auf. Progressive Agenden wie die Belange der LGBTQI* wurden als Versuch westlicher Unterwanderung der hart erkämpften Unabhängigkeit des Landes dargestellt. Und sie waren bei weitem nicht die einzigen. Die aus der Gewerkschaftsbewegung geborene Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) hatte ebenfalls mit Repressionen zu kämpfen. Unvergessen bleiben auch die Gukurahundi Massaker, denen Tausende Menschen zum Opfer fielen und das Bulldozern von Blechbehausungen Jahrzehnte später, was ebensoviele ohne Obdach zurück ließ.

Und obwohl im südlichen Afrika der postkoloniale Turn die jüngere Generation gepackt hat, fällt es ihr schwer, sich in diesem für sie zu eng gefassten Unabhängigkeitsdiskurs wiederzufinden. Das wird sich auch in nächster Zeit unter der ZANU-PF nicht ändern. Denn die Amtszeit Emmerson Mnangagwas, der auf Mugabes Absetzung folgte, gibt wenig Hoffnung auf einen neuen Kurs. Er ist nicht nur in der ZANU-PF groß geworden, sondern auch Vertreter der älteren Generation. Doch auch unter Grace Mugabe wäre es nicht anders gewesen. So fällt es der jüngeren Generation, die teils weiter an Dekolonialität interessiert ist, schwer, in diesem verrosteten System eine Zukunft zu sehen. Das Ziel bleibt also weiterhin, sich aus den Umständen zu befreien, in die sie sowohl ZANU-PF als auch die postkolonialen Nord-Süd Beziehungen gebracht haben.