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Verein fuer politische Bildung, Analyse und Kritik e.V.

ak logo ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 658 / 17.3.2020

Linke Männerfantasien

Diskussion Auf Social Media lassen Antifas ihre Männlichkeit an Nazis raus, Kritiker*innen werden zum Ziel von Belästigung

Von Jeja Klein und Bilke Schnibbe

Seit einigen Jahren haben sich Antifa-Facebookseiten als viel benutzte Informationsquellen in Teilen der Szene durchgesetzt. Sie verbreiten wichtige Recherchen, tagesaktuelle Meldungen zu Nazis, erzeugen mit Memes Stimmung oder veröffentlichen eigene Texte. Seiten wie Antifa Infos & Mobilisierungen, Antifa Ü40 oder Antifa Kampfausbildung bewegen sich im Bereich einiger Tausend bis 30.000 Likes. Ihre Reichweite auf Facebook und damit ihr Einfluss auf die Repräsentation der Antifabewegung in Deutschland sind dadurch groß.

Leider geht mit der hohen Reichweite dieser Seiten nicht die notwendige, feministische Haltung einher, die es bei Community-Management und Kommentarmoderation in sozialen Medien braucht. Daraus folgt, dass sowohl in den Posts der Seiten selber als auch in der Kommentarsektion üble Verhältnisse herrschen: Nazis werden aufgrund vermeintlicher Unmännlichkeit der Lächerlichkeit preisgegeben, über sie werden homophobe Anspielungen gepostet und abgeliked. Dicke Nazis, vor allem Frauen, eignen sich am besten für zehn Sekunden Triumphgefühl. Widerspruch von Frauen respektive Feminist*innen führt zu Anfeindungen, sexualisierten Anspielungen und Bedrohungen seitens der antifaschistischen Online-Community.

Bei Versuchen, kritisch in die auf den Seiten gepflegte giftige Kultur zu intervenieren, haben wir mehrfach Heftiges erlebt. Eine Antifaseite informierte beispielsweise in einem Post mit Foto darüber, dass ein bekannter Nazi aufgrund von Körperverletzungsdelikten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Die Kommentierenden nahmen unter diesem Post hämisch Bezug auf das vermeintlich unmännliche Auftreten und den Körper des Nazis. Mehrere Kommentare zogen »witzig« in Zweifel, dass der Mann körperlich zu Übergriffen in der Lage sei. Dabei war das offensichtlich der Fall. Ein der Antifaszene zuzurechnender Mann mit einem per Profilbild dokumentierten Bodybuilderkörper mit Stiernacken schrieb: »40 Kilo purer Hass« und erntete dafür großen Beifall. Ein anderer schrieb: »Da haben die Kerle im Knast doch mal ein hübsches Nazi-Mädchen zum vernaschen« - eine Vergewaltigungsfantasie.

Auf feministische Kritik reagiert man sensibel

Auf kritische Kommentare durch eine von uns, dass es sich bei solchen Sprüchen unter anderem um Verharmlosung und Legitimation sexueller Gewalt handelt, reagierten kommentierende Antifamacker mit Abwehr und sexistischen Beleidigungen. Die Betreiber*innen der Seite griffen zunächst nicht ein. Im weiteren Verlauf der Diskussion versuchte ein Antifaschist, die private Anschrift der einen von uns über ihre journalistische Webseite herauszubekommen. Als ihm dies nicht gelang, beschrieb er öffentlich die Recherche und ließ verlautbaren, dass eine anonyme Webseite ja verdächtig sei: »Das mögen wir bei Faschos doch auch nicht.« So wurde eine feministische Intervention in die toxische Antifakultur mit Naziaktivismus gleichgesetzt. Die Admins der Seite löschten diese Drohung auf Nachfrage, dokumentierten ihren Moderationseingriff, bannten den Mann jedoch nicht von ihrer Seite und ließen alle Vergewaltigungsfantasien sowie misogynen und homophoben Beleidungen gegen den Nazi stehen.

In einem anderen Beispiel wurde eine Kommentatorin in der Kommentarspalte einer Antifa-Facebookseite von mehreren Männern aggressiv angegangen, als sie auf sexistische Elemente in einem feministisch gemeinten Post hinwies. Die aufgebrachten Kommentarspalten-Männer befragten die Kommentatorin zu ihrer vermeintlich verkorksten Sexualität, beschimpften sie sexualisiert und stellten ihre geistige Gesundheit in Frage. Eine Privatnachricht an die Admins blieb folgenlos. Auch hier zeigt sich, dass sexualisierte Belästigung, Drohungen und sexistische Beschimpfungen gegen Frauen von den Betreiber*innen antifaschistischer Facebookseiten anscheinend für nicht so schlimm befunden werden, selbst wenn diese sich »feministisch« positionieren.

An den Beispielen wird deutlich, warum antifaschistische Praxis niemals ohne eine klare feministische Haltung auskommt. Antifagruppen dienen Männern sowohl online als auch offline dazu, sich ihrer Männlichkeit zu versichern und im Männerbund gegen Nazis zu kämpfen. Sich positiv auf männlich konnotierte Eigenschaften wie Stärke, Dominanzstreben oder Wehrhaftigkeit zu beziehen, beinhaltet immer, dass weiblich konnotierte Eigenschaften wie Schwäche, Unterworfenheit oder Abhängigkeit zum Negativ der Identitätsbildung werden. Wenn ein dünner Nazi mit längeren Haaren zum Mädchen degradiert wird, um ihm dadurch Vergewaltigung an den Hals wünschen zu können, sagt das auch etwas über den nur schlecht versteckten, lustvollen Frauenhass aus.

Männlichkeit als Ideal ist ein Problem

Online dienen diese Seiten als Raum, in dem es relativ einfach ist, eine militante Männlichkeit zu performen. Statt in Nazifressen wird in die Tasten gehauen. Hier darf man einen Fascho als unmännlich beschimpfen, als ob das eine schlechte Eigenschaft wäre. Hier darf man feministische Kritikerinnen bedrohen, ohne sich zu sorgen, dafür vom Moderationsteam blockiert zu werden.

Dass es dabei weniger darum geht, Faschismus wirklich zu bekämpfen, sondern seinen maskulinen Heroismus darzustellen oder den (unbewussten) Hass auf Weiblichkeit auszuagieren, muss benannt werden. Genau das wäre die Aufgabe der Seitenbetreiber*innen. Die Beispiele zeigen, dass sie dieser Verantwortung nicht nachkommen. Nicht selten bezeichnen sich Antifa-Facebookseiten als solidarisch mit feministischen Kämpfen, woraus aber nichts folgt.

Dass Vergewaltigungswitze nicht sofort gelöscht und die Autoren nicht unmittelbar gesperrt werden, spricht eine deutliche Sprache: Die Betreiber*innen dieser Seiten sind nicht in der Lage, dem herrschenden Männlichkeitskult einen zum Beispiel für Frauen sicheren Diskursraum entgegenzusetzen. Sie befördern den sexistischen Normalzustand in der antifaschistischen Szene, indem sie teils selbst sexistische Posts absetzen, sexistische und homophobe Kommentare nur rudimentär ahnden und Angegriffenen nicht zur Seite stehen. Da braucht man sich dann auch nicht zu wundern, dass »komischerweise« so wenige Frauen Bock haben, sich in Antifagruppen zu Wort zu melden oder gar mitzumachen.

Jeja Klein ist freie Journalistin und beschäftigt sich mit Geschlecht und Queerness, sexueller Gewalt oder Antifaschismus. Pronomen: Sie/Es. Bilke Schnibbe ist seit Neuestem Redaktionsmitglied bei ak.