Zerstört die Zähler, genießt das Wasser!
Globale Konzerne, lokaler Staat und soziale Bewegung in Johannesburg
Von Patrick Bond
Seit Ende der 1990er ist die Metropole Johannesburg zum Brennpunkt der sozialen Bewegungen Südafrikas geworden. Anlass dafür ist der Versuch der lokalen Regierung, mit ihrer Stadt in die Liga der "Global Cities" aufzusteigen auf Kosten, natürlich, der ärmeren und armen Viertel. Dem antworten die Bewegungen in Kämpfen, die lokal und global zugleich ausgerichtet sind.
Kraftvolle soziale Bewegungen hat Johannesburg schon in den 1980er Jahren, im Kampf gegen die Apartheid, hervorgebracht. Gab es nach der Regierungsübernahme des African National Congress (ANC) eine Tendenz zur Einhegung ihrer Widerspenstigkeit auf das liberale Ideal der "Zivilgesellschaft", setzte Ende der 90er ein Repolitisierungsschub ein. Hintergrund dafür war und ist die vom lokalen Staat forcierte Auslieferung der Stadt an die globalen Konzerne, in deren Folge sich die Lebensbedingungen für Menschen mit niedrigem Einkommen - die soziale Basis der Bewegungen - massiv verschlechtert haben. In allen Bereichen gingen Jobs verloren, die Löhne blieben niedrig und mit dem Wegfall staatlicher Subventionen schossen die Preise für öffentliche Dienstleistungen dramatisch in die Höhe. Das Einkommen des durchschnittlichen schwarzen Haushalts ist zwischen 1995 und 2000 um 19% gefallen, das der weißen um 15% gestiegen.
Seither sind die Dinge nicht besser geworden. Brennpunkte der Auseinandersetzung sind die Versorgung mit Unterkunft, Strom und Wasser und der Widerstand gegen das neoliberale Stadtentwicklungsprogramm "Igoli 2002". Schirmorganisation der Kämpfe ist das "Anti-Privatisation-Forum" (APF), in dem sich eine neue Generation auf Gemeindeebene aktiver Basisgruppen sammelt.
Die Strom- und Wasserkriege
Die südafrikanischen "Anti-IWF-Riots" begannen in Townships wie Soweto, Tembisa, Eldorado Park und KwaTema und richteten sich von Anfang an gegen die Versuche der Regierung, die öffentlichen Dienste einer neoliberalen "Kostenreduktion" zu unterwerfen. Die Graswurzel-Proteste forderten Preisnachlässe und den Wiederanschluss aller Haushalte an die Strom- und Wasserversorgung, deren Leitungen wegen unbezahlter Rechnungen gekappt worden waren. In mehreren Gebieten kam es zu gewaltsamen Protesten und zu Auseinandersetzungen mit der Polizei und städtischen Angestellten. Seit Jahresmitte 1998 breiteten sich die Konflikte in den East Rand Townships und den umliegenden ländlichen Gemeinden aus, in Witbank und Tsakane im Osten Johannesburgs wurden nach Zwangsräumungen und -vollstreckungen öffentliche Gebäude und ein Postamt angezündet. Als in Amersfort ein Baby starb, nachdem viele Familien von der Strom- und Wasserversorgung abgeschnitten wurden, kidnappten die Leute einen bekannten Kommunalpolitiker. An mehreren Orten wurden die Häuser kommunaler Politiker angezündet, schließlich wurde ein persönlich für Strom- und Wassersperren verantwortlich gemachter Bürgermeister während eines Aufruhrs getötet. Aufgrund ihrer Mitverantwortung für neoliberale Entwicklungsprojekte wie z.B. das "Lesotho Highlands Water Project" richteten sich die Proteste aber explizit nicht nur gegen die kommunale, sondern auch gegen die nationale Politik und transnationale Institutionen, voran die Weltbank.
2000 wurden das "Soweto Electricity Crisis Committee" (SECC) und die von ihm getragene "Operation Khanyisa! Reconnect the Power!" ins Leben gerufen. Auf eigene Faust schließen die AktivistInnen des SECC Haushalte, denen die Strom- und Wasserversorgung gesperrt wurde, wieder an das Leitungsnetz an. Als der staatliche Stromkonzern ESKOM im Gegenzug dazu überging, Monat für Monat die Leitungen von jeweils 20.000 weiteren BewohnerInnen Sowetos zu kappen, eskalierten die Auseinandersetzungen. Im November brachte die Washington Post auf der Titelseite eine längere Analyse der Situation, eingeleitet mit der Geschichte von Agnes Mohapi, einer alten Frau, die mit 600 Rand (70 E) monatlich zu überleben sucht:
"Als sie die Dunkelheit und die Kälte nicht mehr ertragen konnte, die ihre arthritischen Knie umfing und als sie wieder daran dachte, ein Möbelstück als Feuerholz zu opfern, verfluchte Agnes Mohapi die Mächte, die sie vom Strom abgeschnitten hatten. Dann wandte sie sich an einen Nachbarschaftsdienst, der sie illegal wieder ans Stromnetz anschließen würde. Kurz darauf erschienen zwei bootleg technicians (éSchwarztechnikerÆ) des Soweto Electricity Crisis Committee auf der Kreuzung der Moseka und der Moema Straße. Ohne um eine Gegenleistung zu bitten nutzten sie eine Kombizange und ein Taschenmesser, um mit einem Schnitt hier und einer Verbindung dort wieder Licht in die staubige, baumlose Ecke zu bringen. éSo was sollten wir nicht nötig habenÆ, sagt Mohapi, 58, als sie ohne Reue mit gekreuzten Armen vor ihrem Haus steht, das die Reparateure wieder mit Strom versorgt haben. Nichts ist vergleichbar mit der Apartheid, dem System der Rassentrennung, dass die Schwarzen in arme Townships wie Soweto einschloss. Doch in all ihrem Elend und all ihrer Erbärmlichkeit hat Apartheid Agnes Mohapi nicht den Job genommen, die Strom- und Wasserrechnungen nie in solche Höhen getrieben und sie endlich, als sie nicht mehr zahlen konnte, von der Versorgung abgeschnitten. éDas hat erst die Privatisierung getanÆ, sagt sie, die Worte vor Ärger immer schneller herauspressend. éUnd dieser ganze Globalisierungsmüll, den unsere neue schwarze Regierung uns aufzwingt, hat nichts besser, sondern alles schlechter gemacht ... Wir werden uns zusammenschließen und diese Regierung mit derselben Wut bekämpfen, mit der wir zu ihrer Zeit die Weißen bekämpft haben.Æ Das ist Südafrikas neue Revolution." (1)
Schließlich erschien der Minister für Öffentliche Unternehmen, Jeff Radebe, persönlich in der Orlando Hall, einem Veranstaltungsgebäude mitten im SECC-Gebiet, um der "Operation Khanyisa!" die vom Netzwerk der Gemeindeverwaltungen, der Menschenrechtskommission, der ESKOM und dem Johannesburger Wirtschaftsverband getragene "Operation Lungise! - Light On!" entgegenzusetzen. Er versprach die Wiederherstellung aller Anschlüsse, wenn die Hälfte der unbezahlten Rechnungen bezahlt würden. In ganzseitigen Anzeigen hieß es: "Alles, was Sie tun müssen, ist Ihre Gebühr zu bezahlen. Jeden Monat. Pünktlich. Wir werden unsere Dienste stetig verbessern." Nur wenige BewohnerInnen Sowetos ließen sich auf den Deal ein, Anfang 2003 musste Radebe schließlich offiziell den Verzicht auf Zahlungsrückstände in Höhe von 1, 4 Milliarden Rand (über 1,4 Millionen E) erklären.
Einen ähnlichen Verlauf nahmen die Auseinandersetzungen um die Wasserversorgung. Hier entzündeten sich die Konflikte vor allem an der Installation von Zählern, die Wasser nur noch gegen Vorkasse abgeben. Um an Wasser zu kommen, müssen die Leute Karten erwerben, die sie zum Bezug einer bestimmten Wassermenge berechtigen. Die ersten sechstausend Liter sind kostenlos, danach schießt der Preis rasant in die Höhe. Zähler dieser Art wurden dann ausgerechnet in dem nur aus schäbigen Hütten bestehenden Township Orange Farm aufgestellt, einem Mikrokosmos aller sozialen Probleme des Landes, der in Johannesburg "deep south", tiefer Süden genannt wird: Erwerbslosigkeit, Gewaltverbrechen und HIV-Infektionen auf höchstem Niveau. Zur Begründung für die Installation der Zähler führten Stadtbeamte in aller Offenheit an, dass es sich in Gegenden wie diesen einfach nicht lohne, den Leuten Rechnungen zu stellen. Nach dem Vorbild des SECC gründete sich schließlich das Orange Farm "Water Crisis Committee" (OFWCC), dessen Motto sein Sprecher Bricks Makolo, ein Veteran der Anti-Apartheid-Kämpfe, in den Worten formuliert: "Zerstört die Zähler und genießt das Wasser! Unsere Regierung sagt, Wasser sei ein Grundrecht. Doch jetzt gibt sie unsere Rechte zum Verkauf." (2)
Entscheidend ist, dass die AktivistInnen sich auch hier nicht nur gegen die kommunale Politik, sondern zugleich gegen internationale Akteure richten, wiederum gegen die Weltbank, aber auch gegen den französischen Suez-Konzern, der in Kooperation mit ESKOM Johannesburg mit Wasser versorgt. Zur längst fälligen Bündelung der unterschiedlichen Proteste kam es, als das Anti-Privatisation-Forum, das SECC, das OFWCC, das Netzwerk ländlicher Entwicklungsdienste RDSN und die Gewerkschaft der kommunalen ArbeiterInnen SAMWU eine landesweite Kampagne starteten, die von der südafrikanischen Regierung die Bereitstellung von 50 Liter Wasser täglich fordert - pro Person und kostenlos. Finanziert werden soll das nicht allein durch staatliche Subvention, sondern durch drastisch erhöhte Tarife für Großkunden.
Die Ebenen der Kämpfe
Ähnliche Strategien der De-Kommodifizierung, der Begrenzung oder Rücknahme der Warenökonomie, wurden von NGO, Gewerkschaften, Kirchen und Graswurzelbewegungen auch in anderen Sektoren entwickelt und stellten Bezüge zwischen verschiedenen Ebenen der Auseinandersetzung und unterschiedlichen Subjekten her:
- Kämpfe um den lebendigen Leib des HIV-positiven Individuums, in millionenfacher Zahl Opfer von Vergewaltigung, einem fatalen Leiden ausgesetzt; Kämpfe, in denen gegen die Regierung der Zugang zu antiretroviralen Medikamenten erzwungen wurde;
- Kämpfe um den Haushalt, in denen mitder Gründung einer Kampagne um eine kostenlose Grundversorgung mit Wasser- und Strom vor allem die Frauen einen jedenfalls vorläufigen Sieg errungen haben;
- Kämpfe der Nachbarschaft, in denen dieCrisis Committees die Abkopplung zehntausender Familien von der Strom- und Wasserversorgung verhindern konnten;
- Kämpfe im nationalen politischen Diskurs, in denen Massenmobilisierung, direkte Aktion und die offenbare Demütigung der Regierung und ihrer Partei progressiven Stimmen zur Hegemonie verhalfen;
- Kämpfe, in denen sich in der Kritik der von den Regierungen des südlichen Afrika geplanten New Partnership for AfricaÆs Development grenzüberschreitende Allianzen von Bewegungen, Gewerkschaften, Kirchen und NGO herausbildeten;
- Kämpfe auf globaler Ebene, die ein System anfechten, dass im Angesicht der öko-sozialen Krisen etwa der Wasserversorgung oder des Klimas noch aus diesen elementaren Ressourcen Profit schlagen will.
Der universale Charakter dieser je für sich eigensinnig geführten Kämpfe - um freie Versorgung mit Wasser, den Zugang zu Medikamenten, ein garantiertes Grundeinkommen oder um einen Zugang zu Land als einem Menschenrecht - zeigt sich an dem Anspruch auf die De-Kommodifizierung der öffentlichen Güter - ein Anspruch, in dem die sozialen Bewegungen Johannesburgs sich nicht notwendig auf die Tradition des europäischen Sozialstaats beziehen, wohl aber an die Tradition der Kämpfe anschließen, in denen dieser erstritten wurde.
Der Marsch auf Sandford
2002 bekamen die sozialen Bewegungen Johannesburgs die Chance, ihren Protest gegen neoliberale Globalisierung an der richtigen Adresse vorzubringen - gegenüber dem "World Summit on Sustainable Development" (WSSD), einer UN-finanzierten Konferenz zu "nachhaltiger Entwicklung". Am 31. August, einem sonnig-heißen Frühlingstag, riefen das "Social Movements Indaba" (SMI), ein Zusammenschluss von 25 Townshiporganisationen, und die Landlosenbewegung zum Protestmarsch auf und sammelten binnen kurzem 20.000 DemonstrantInnen, die sich aus dem für seine Widerspenstigkeit berühmten Township Alexandra zum zwölf Kilometer entfernten Sandford aufmachten, dem reichsten Stadtteil Johannesburgs und Tagungsort des WSSD. Der Ort ist von den armen Gebieten der Stadt durch eine achtspurige Autobahn getrennt.
Schon um neun Uhr früh strömten die Mengen zusammen und bildeten, was an diesem Tag die "Vereinigten Sozialen Bewegungen" genannt wurde. Als die Demonstration die Autobahn erreichte, stoppte der Klassen- und Community-Kampf den Verkehr: Die Leute überquerten die acht Spuren und nahmen von Sandford Besitz. Nicht, dass sie zum ersten Mal in dem seit den 1990er Jahren schnell wachsenden Nobelviertel waren. Nicht wenige der DemonstrantInnen verdienen hier ihr Geld, als mies bezahltes Dienstleistungspersonal in den Konzernverwaltungen, Hotels, Restaurants und Luxusappartements, das nach Beendigung seiner Dienste schnellst möglich aus der Gegend vertrieben wird. Dafür sorgen der physisch merkliche Klassenhass der Sandfordians, die hohen Preise, die jeden Einkauf verbieten und das aggressive Wachpersonal, das jeden aus dem Weg räumt, der sich nicht freiwillig zurückzieht. In dieser Hinsicht hat sich hier seit 1994 nicht viel geändert.
So bedeutend wie die Überwindung der physischen Distanz war die Schlacht der Zahlen und Leidenschaften: Der ANC, der Gewerkschaftsbund COSATU und die an der Regierung beteiligte South African Communist Party (SACP) hatten zeitgleich zu einem "Global Civil Society Forum" mobilisiert, und dafür Präsident Thabo Mbeki selbst sowie Fidel Castro und Yassir Arafat aufgeboten. Während die unabhängige Linke und die Townshiporganisationen die Mengen auf ihre Seite brachten, sprach Mbeki vor gerade eben 5000 ZuhörerInnen im Alexandra Fußballstadion - und verlor nahezu ein Fünftel seines Publikums, als der Demonstrationszug vorbei zog, wohl nicht zuletzt, weil weder Castro noch Arafat am "Forum" teilnahmen. (...)
Die Antwort der Staatsgewalt ließ nicht lange auf sich warten: Waren schon in den Wochen zuvor Hunderte von AktivistInnen festgenommen und ohne Anklage wieder freigelassen worden, marschierten am 31. August Polizei- und Armeeeinheiten in einer Anzahl auf, wie man das seit den Tagen der Apartheid nicht mehr erlebt hatte. Dabei schreckten die kommandierenden Stäbe nicht einmal vor der vorübergehenden Wieder-Indienstnahme von Offizieren des Apartheid-Regimes zurück. Dem setzten die DemonstrantInnen die Regenbogenkoalition des Protests entgegen: Anti-Privatisation-Forum, Social Movement Indaba, Landless PeopleÆs Movement, Environmental Justice Networking Forum, Soweto Electricity Crisis Committee, Rural Development Services Network, Friends of the Earth, First People, World Bank Bonds Boykott, Indymedia, Palestinian Solidarity Committee (...).
Die Antwort des ANC: links blinken, rechts abbiegen
Mbeki und der ANC denunzierten die Bewegungen umgehend als eine von ihren ausländischen Alliierten gesteuerte "Ultralinke" und Blade Nzimande, der Generalsekretär der SACP, wollte in der Regenbogenkoalition eine "Neue Linke" erkennen, die tatsächlich nur die "alte Tradition des Anarcho-Syndikalismus und Genossenschaftssozialismus" fortsetze. Anders fiel dagegen das Urteil von John Appolis aus, einem führenden Gewerkschafter der Provinz Gauteng: "Außerordentlich lehrreich war die Repression, die die ANC-Regierung einsetzen musste, um ihre politische Agenda durchzubringen - eine Methode, die stark an das Apartheidregime erinnert. Dass der ANC auf solch repressive Taktiken zurückgreifen muss, um die neuen politischen Bahnen der Bewegungen zu sperren oder umzukehren, hat sein Image als Champion der Demokratie und der Armen angeknackst. Während des WSSD wurden wichtige Allianzen und Verbindungen geschaffen. Doch noch sind unsere Kämpfe in Südafrika defensiver Natur, es fehlt ein kohärentes Programm des gesellschaftlichen Wandels. Die organisierten ArbeiterInnen und die StudentInnen sind noch nicht gewonnen, unsere größte Herausforderung liegt in der Verbreiterung unserer Massenbasis." (3) Das spiegelt sich noch in den Wahlen vom 14. April diesen Jahres, deren Resultate im Verhältnis denen von 1999 entsprachen: bei Verlusten der weißen Opposition und der Zulu Inkatha Partei kam der ANC auf 70%. Die Zahl der NichtwählerInnen allerdings übertraf deutlich die der für den ANC abgegebenen Stimmen. (...)
Die Auseinandersetzungen der letzten Jahre haben vier Faktoren zusammengebracht, die das Verhältnis von lokalem Staat und sozialer Bewegung bestimmen werden: die für die Armen zunehmend ungenügenden öffentlichen Dienste Johannesburgs, das Scheitern der neoliberalen makroökonomischen Politiken hinsichtlich der Schaffung von Jobs und wachsenden Einkommen, das Scheitern kommunaler und nationaler Politik im Versuch der Integration - statt des Ausschlusses - der urbanen Massen und die internationalistische Ideologie auf Seiten der neuen Bewegungen. Letzteres führt mich dazu, in einer Wende zur LeserIn auf die Möglichkeiten einzugehen, die südafrikanischen AktivistInnen von Deutschland aus zu unterstützen. So hat die südafrikanische Sektion der internationalen Entschuldungskampagne ihre schwache deutsche Sektion dringlich gebeten, ihre Unterstützung für die Ansprüche speziell der Deutschen Bank gegenüber sogenannten "Ländern mittleren Einkommens" wie Südafrika oder Nigeria einzustellen: Doch Erlassjahr.de beschränkt sich auf die Forderung nach einem bedingten Schuldenerlass statt nach vollständiger und unbedingter Streichung aller Schulden und billigt darüber hinaus die Weltbank- und IWF-Strategie gegenüber den hochverschuldeten Ländern, die oftmals die Forderung nach Privatisierung der Wasserversorgung einschließt. Die Deutsche Bank ist darüber hinaus wegen diverser Delikte zur Strafzahlungen verurteilt worden, zuletzt 2000/2001 wegen Beihilfe zur Vernichtung erheblicher Geldwerte im Zuge illegaler Wechselgeschäfte. DaimlerChrysler hat im Rahmen eines von breiter öffentlicher Kritik zurückgewiesenen üblen Waffengeschäfts nachweislich ANC-Funktionäre bestochen. Deutschlands größte Baufirma Lahmeyer ist wegen der Bestechung politischer Beamter in Lesotho im Rahmen des skandalösen Lesotho Highlands Water Project verurteilt worden, das mitverantwortlich ist für die drastischen Erhöhungen der Wasserpreise in Soweto. Die deutsche Firma Siemens ist einer der Haupterzeuger jener verhassten Wasserzähler im Zuge der Umstellung auf Vorauszahlungen und musste Schäden in Höhe mehrerer Millionen Euro hinnehmen, als diese 1997 während der Proteste in Tembisa massenhaft zerstört wurden. Die Stiftungen deutscher politischer Parteien - namentlich der CDU, der SPD und der FDP - sind notorisch für ihren Einsatz zugunsten reaktionärer und neoliberaler Diskurse bekannt. Hinzu kommt natürlich die Unterstützung, die die Schröder-Regierung der Weltbank und dem IWF gewährt - nichts entlarvt deutlicher die Heuchelei der Sozialdemokratie und der Grünen als ihr entschiedener Widerstand gegen jeden Versuch der Demokratisierung dieser Institutionen. Dasselbe gilt von der deutschen Position in der EU, deren Hilfsleistungen an Südafrika auf Kosten sozialer Demokratie Privatisierung und Neoliberalismus vorantreiben. Der deutsche Widerspruch gegen den Krieg im Irak wurde durch die Beteiligung am Krieg gegen Afghanistan konterkariert, die freundlichen Beziehungen Joschka Fischers zu den USA unterstrichen gerade nach der Besetzung Bagdads, wie es Berlin mit internationalem Recht und den Menschenrechten hält. Ergänzt wird das durch die Unterstützung der WTO und des GATS-Abkommens, das Länder wie Südafrika zur Privatisierung des Wassers zwingt - mit und gegen ihre Londoner und Pariser Konkurrenten haben deutsche Firmen hier ihre Ansprüche schon angemeldet. Was dagegen getan werden könnte, lässt sich an Allianzen ablesen, die Johannesburger soziale Bewegungen mit NGO und BasisaktivistInnen anderer Länder längst eingegangen sind, mit nordamerikanischen BürgerInneninitiativen hinsichtlich der Kämpfe gegen die Wasserprivatisierung in Soweto und Orange Farm, mit der britischen Initiative "War on Want", die auch materielle Unterstützung leistet, mit dem "Trans National Institute" in Amsterdam, dessen MitarbeiterInnen gemeinsam mit AktivistInnen und Intellektuellen in Johannesburg soziale Untersuchungen organisierte, zuletzt mit diversen skandinavischen Gruppen im Widerstand gegen die EU. Auf Solidarität dieser Art sind die Bewegungen angewiesen, sollen sie im Kampf um De-Kommodifizierung und De-Globalisierung ihre lokalen und nationalen Staatsapparate vom Neoliberalismus und von der zunehmenden Repression abbringen. Um die Globalisierung des Kapitals bekämpfen zu können, bedarf es einer Globalisierung der Leute, die Praxis wird.
Übersetzung: Thomas Seibert
Patrick Bond ist Professor für Politische Ökonomie an der Graduiertenschule für Öffentliches und Entwicklungs-Management der Witwatersrand-Universität in Johannesburg. Zuletzt erschienen von ihm: Talk Left, Walk Right, University of KwaZulu-Natal Press, 2004; Against Global Apartheid, Zed Books, 2003; Unsustainable South Africa, Merlin Press, 2002.
Anmerkungen:1) Jeter, J., For South AfricaÆs Poor, a New Power Struggle. In: Washington Post, 6. 9. 2001
2) Thomson, G., Water Tap Often Shut to South Africa Poor. In: New York Times, 29. 5. 2003
3) Appolis, J., The Political Significance of August 31. In: Khanya Journal 2/2002.
Informationen zu Südafrika finden sich auf folgenden websites: http://www.nu.ac.za/ccs http://southafrica.indymedia.org http://www.red.org.za http://www.aidc.org.za