Fantômas Logo Fantômas - Magazin für linke Debatte und Praxis / Nr. 13 / Sommer 08

Globale Soziale Rechte

Fantômas 13

Gibt man den Begriff "Globale Soziale Rechte" in Google ein, finden sich allein in deutscher Sprache über 21.000 Einträge. Binnen weniger Jahre wurde er zu einem Brennpunkt globalisierungskritischer Debatten und brachte Graswurzelinitiativen und NGOs, kirchliche Initiativen, Sozialverbände und Gewerkschaften sowie linke und linksradikale Parteien und Gruppen zusammen. Globalen Sozialen Rechten kommt dabei oft nur die Rolle eines "irgendwie" von allen akzeptierten Losungsworts zu: prominent zum Beispiel während des letzten Europäischen Sozialforums, das 2006 in Athen unter dem Titel "Für Frieden und Globale Soziale Rechte" durchgeführt wurde. An Begriff und Sache orientieren sich aber auch strategische Debatten, in denen es um Widersprüche zwischen verschiedenen sozialen Kämpfe geht und darin um den Versuch einer gemeinsamen Emanzipationspolitik. Ein solcher Versuch kann auch deshalb unternommen werden, weil jeweils besondere soziale Rechte den Einsatz von Auseinandersetzungen bilden, die zugleich lokal wie global und insofern stets trans- und international angelegt sind: Arbeitskämpfe entlang der globalisierten Produktionsketten, lobbyistische Auseinandersetzungen um Probleme des Nord-Süd-Verhältnisses, aber auch Kämpfe um den Rechtsstatus von MigrantInnen hier in Deutschland, in denen "Betroffene" und ihre "einheimischen" UnterstützerInnen in prekärer Weise zusammenfinden. Prekär und vielversprechend zugleich ist auch, dass sich hier moderate und radikale Linke in einer Weise aufeinander beziehen, die eine Neubestimmung ihres bleibenden Unterschieds zumindest denkbar werden lässt. Dies hat seinen Grund nicht zuletzt darin, dass sich eine Politik Globaler Sozialer Rechte notwendig auf alle und zugleich auf jede und jeden Einzelnen beziehen muss, eben weil Rechte als solche zugleich allen und den einzelnen zustehen.

Nachdem die Zeitung analyse & kritik die Debatte über mehrere Ausgaben verfolgt hat, findet sie nun auch in Fantômas einen Ort. Dabei setzen wir sie in drei Zügen fort und präsentieren zuerst grundsätzliche theoretische Erörterungen. Michael Ramminger nähert sich dem Thema gleichsam von der "Gegenseite" her und profiliert die Forderung nach Globalen Sozialen Rechten aus einer Kritik der philanthropischen "Wende" des Neoliberalismus. Werner Rätz platziert sich im Zentrum der Auseinandersetzung und stellt die Eigentumsfrage. Frauke Banse hinterfragt den "Globalismus" der Debatte und votiert für eine kritische Vermittlung mit Positionen, die der ältere Ausdruck "Internationalismus" noch immer treffend benennt. Stefanie Graefe und Iris Nowak diskutieren den Zusammenhang, aber auch die Widersprüche zwischen einer Politik sozialer Rechte und einer Politik der Lebensweisen. Sonja Buckel wirft dann die Frage nach der "Vertracktheit" des Rechts selbst auf, die der von Marx untersuchten Vertracktheit der Ware in nichts nachsteht.

Im zweiten Zug geht es um die strategische Ausrichtung einer Politik Globaler Sozialer Rechte, und das anhand einer Debatte zwischen AktivistInnen zweier Organisationsprojekte, die sich direkt auf eine solche beziehen. Dabei sprechen Frank John, Efthimia Panagiotidis und Vassilis Tsianos aus der vorläufig abgeschlossenen Erfahrung der Gesellschaft für Legalisierung, Werner Rätz, Horst Schmitthenner und Thomas Seibert aus der auf die Anti-G8-Kampagne zurückgehenden Erfahrung der Initiative für Globale Soziale Rechte.

Im letzten Zug geht es um die Rolle Globaler Sozialer Rechte in unterschiedlichen politischen Praktiken. Thomas Gebauer hinterfragt in grundsätzlicher Weise den Einsatz kritischer NGOs in der fortdauernden Anstrengung, "die Menschenrechte vom Kopf auf die Füße zu stellen." Dagmar Paternogas Reisebericht aus Sambia geht dem Projekt so genannter "Social-Cash-Transfers" nach, die zu einem eigenen Bezugspunkt der Debatte geworden sind. Miriam Edding und Mohammed Talbi lenken den Blick von den strategischen Konzepten zu den konkreten Überlebenskämpfen um globale Bewegungsfreiheit - und zurück. Bernt Seggewies-Kamin und Adam Hochschild erinnern an Kämpfe um Globale Soziale Rechte, von denen nicht nur deshalb vieles zu lernen bleibt, weil sie erfolgreich waren. Dabei spricht Seggewies-Kamin von seinen Erfahrungen im 2001 begonnenen europaweiten Kampf der HafenarbeiterInnen gegen die von der EU geplante Liberalisierung von Hafendienstleistungen, während Hochschild in eindringlicher Weise die siegreiche Kampagne der britischen AbolitionistInnen gegen die Sklaverei zu vergegenwärtigen sucht - Vergegenwärtigung in ihrer emphatischen Bedeutung genommen.

Petra Gerschner und Michael Backmund führen in die Arbeiten der Hamburger Fotokünstlerin Andrea Preysing ein, die sich durch das ganze Heft ziehen und ganz eigene Zugänge zu besonderen Orten wie zum "Spielfeld Welt" eröffnen.

Redaktion Fantômas